Motivation neu denken mit der Positiven Psychologie
5. Dezember 2025: Zusammenfassung des Vortragsabends für die AOK – Die Gesundheitskasse Rhein-Neckar-Odenwald mit Prof. Dr. Monika Zimmermann (Zentrum für interdisziplinäres Coaching Heidelberg)
Einführung und Kontext
Der Vortrag beleuchtete die Frage, wie Menschen Motivation entwickeln, erhalten und wiedergewinnen können – und wie Optimismus, verstanden im Sinne der Positiven Psychologie, dazu beiträgt, selbst in belastenden oder festgefahrenen Situationen handlungsfähig zu bleiben. Die Veranstaltung fand online im Rahmen eines AOK-Abends statt, organisiert von Christian Bikowski und wurde von Monika Zimmermann gemeinsam mit Tobias Jaeger gestaltet.
Der Vortrag verband Erkenntnisse aus Psychologie, interdisziplinär-systemischem Coaching, Bildungsforschung, Motivationspsychologie und therapeutischen Ansätzen. Die zentrale Botschaft lautete, dass Motivation weniger ein Charaktermerkmal, sondern vielmehr ein dynamisches, beein-flussbares Zusammenspiel aus Bedürfnissen, Emotionen, Wahrnehmungen und sozialer Resonanz ist. Ein besonderer Stellenwert wurde dabei der Haltung eingeräumt, mit der Menschen auf sich selbst und andere blicken, insbesondere dem realitätsnahen Optimismus, der Möglichkeiten sichtbar macht, ohne Schwierigkeiten zu negieren.
Zentrale Fragen des Abends
Der Vortrag widmete sich drei Leitfragen, die systematisch entfaltet wurden und die zugleich den roten Faden des inhaltlichen Aufbaus darstellten:
- Was motiviert Menschen wirklich?
Motivation entsteht nicht aus reiner Willenskraft, sondern aus dem Erleben von Autonomie, Kompetenz, emotionaler Sicherheit, sozialer Eingebundenheit und Sinn. Diese Faktoren bilden die Grundlage menschlicher Entwicklungsprozesse und beeinflussen, ob Menschen Herausforderungen gestalten oder vermeiden. - Wie kann Motivation erzeugt und konstruktiv genutzt werden?
Motivation entsteht und wächst durch Begeisterung, Bewusstmachung und Befähigung. Diese drei Phasen beschreiben einen nachvollziehbaren Entwicklungsweg, der sowohl in der individuellen Veränderung als auch in pädagogischen oder organisationalen Kontexten sichtbar wird. - Wie kann eine innere Haltung entstehen, die Handlungsfähigkeit, Verbundenheit und Sinnwirksamkeit ermöglicht?
Grundlage hierfür ist eine Kombination aus wertschätzender Selbstwahrnehmung, realisti-schem Optimismus, emotionaler Regulation und der Fähigkeit, situationsangemessene Perspektiven einzunehmen. Die Haltung entwickelt sich in Resonanz mit anderen und ist eng mit dem Erleben bedingungsfreier Wertschätzung verbunden.
Theoretische Grundlagen
Selbstbestimmungstheorie der Motivation
Die Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan) wurde als ein zentrales Fundament dargestellt. Motivation entsteht demnach aus der Erfüllung von drei psychologischen Grundbedürfnissen:
- Autonomie: das Erleben von Selbstbestimmung in Handlungen und Entscheidungen.
- Kompetenz: das Gefühl, Herausforderungen bewältigen zu können.
- Eingebundenheit: das Bedürfnis nach sozialer Verbundenheit und Anerkennung.
Motivation pendelt ständig zwischen frei gewählten und auferlegten Handlungen. Dieses Kontinuum prägt die Qualität der Motivation. Selbst wenn äußere Vorgaben bestehen, kann Motivation entstehen, wenn Menschen eine Form von innerer Zustimmung, Sinn oder Gestaltungsfreiheit erleben. Die Theorie wurde nicht nur theoretisch beschrieben, sondern eng mit praktischen Kontexten verbunden, etwa dem Arbeiten pädagogischer Fachkräfte oder alltäglichen Herausforderungen oder beruflicher Überforderung.
Rogers: Wertschätzung, Empathie, Kongruenz und Aktualisierungstendenz
Carl Rogers’ Menschenbild bildete eine weitere theoretische Säule. Drei Haltungen sind nach Ro-gers entscheidend, damit Menschen sich entwickeln, motivieren und orientieren können:
- Bedingungsfreie Wertschätzung: das Gegenüber wird nicht aufgrund bestimmter Verhaltensweisen anerkannt, sondern als Person angenommen.
- Empathie: das Verstehen der subjektiven Welt des anderen.
- Kongruenz: Echtheit im Ausdruck eigener Gefühle, Bedürfnisse und Werte.
Diese drei Variablen ermöglichen Motivation, weil sie emotionale Sicherheit schaffen.
Darüber hinaus spielt die Aktualisierungstendenz eine grundlegende Rolle: ein innerer Drang jedes Menschen, sich weiterzuentwickeln und zugleich psychische Ordnung aufrechtzuerhalten. Motivation entsteht im Gleichgewicht zwischen Erneuerung und Stabilität. Gerät dieses Gleichgewicht aus der Balance, etwa durch rigide Muster oder Überforderung, sinkt die Motivation und das Gefühl eigener Wirksamkeit.
Seligman: Positive Psychologie, Optimismus und Attribution
Die Positive Psychologie versteht Optimismus nicht als Schönfärberei, sondern als realitätsnahe Bewertung von Situationen. Der Fokus liegt darauf, Einflussmöglichkeiten zu erkennen statt ausschließlich Hindernisse wahrzunehmen. Entscheidend dafür ist die Art, wie Menschen Ereignisse erklären (Attribution):
- Sind Schwierigkeiten dauerhaft oder vorübergehend?
- Beziehen sie sich auf alles oder nur eine Situation?
- Liegen sie allein an der eigenen Person oder an mehreren Faktoren?
Daraus ergibt sich der Unterschied zwischen konstruktivem und destruktivem Denken. Attributionen beeinflussen Gefühle und daraus folgende Handlungen. Bleibt die Bewertung dauerhaft negativ, kann das zur sogenannten erlernten Hilflosigkeit führen. Ein Zustand, in dem Handeln als wirkungslos erlebt wird.
Die Positive Psychologie verbindet diese Analysen mit gezielten Methoden, um Optimismus und Selbstwirksamkeit zu stärken: Ressourcenaktivierung, realistische Zielorientierung, Fokussierung auf beeinflussbare Aspekte und Förderung positiver Emotionen.
Frankl: Sinn als Motivationsquelle
Viktor Frankl ergänzte das Motivationsverständnis durch die Dimension des Sinns. Menschen ent-wickeln und erhalten Motivation, wenn sie etwas als sinnhaft erleben. Sinn wirkt als Orientierungs-punkt, der hilft, Belastungen zu tragen und Ziele zu verfolgen. Er wirkt nicht als äußere Belohnung, sondern als innerer Bezugspunkt für Entscheidungen und Handlungen. Die Frage nach Sinn wird besonders relevant, wenn äußere Rahmenbedingungen schwierig sind oder frühere Motivationsquellen verloren gingen.
Emotion und Motivation im Bildungsplan Baden-Württemberg
Im Vortrag wurde die neue Rolle von Emotion und Motivation im Orientierungsplan Baden-Württemberg betont, an dem Monika Zimmermann als Autorin mitgewirkt hat. Motivation wird dort explizit als Entwicklungsfeld beschrieben, eingebettet in emotionale Sicherheit, Selbstwirksamkeit und partizipative Lernprozesse. Diese Aspekte gelten nicht nur für Kinder, sondern ebenso für Erwachsene. Pädagogische Fachkräfte fungieren gleichzeitig als Begleiter, Modellpersonen und Teil der emotionalen Umgebung, in der Motivation entstehen kann.
Emotion und Motivation im Bildungsplan Baden-Württemberg
Im Vortrag wurde die neue Rolle von Emotion und Motivation im Orientierungsplan Baden-Württemberg betont, an dem Monika Zimmermann als Autorin mitgewirkt hat. Motivation wird dort explizit als Entwicklungsfeld beschrieben, eingebettet in emotionale Sicherheit, Selbstwirksamkeit und partizipative Lernprozesse. Diese Aspekte gelten nicht nur für Kinder, sondern ebenso für Erwachsene. Pädagogische Fachkräfte fungieren gleichzeitig als Begleiter, Modellpersonen und Teil der emotionalen Umgebung, in der Motivation entstehen kann.
Fallbeispiele und Diskussionsbeiträge
Die theoriegeleitete Darstellung wurde mehrfach durch reale Beispiele ergänzt, die aufzeigen, wie Motivation entsteht, gestört wird oder wiedergewonnen werden kann.
Das Feuer, das von außen gelöscht wurde
Eine Teilnehmerin beschrieb, wie sie zu Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit hoch motiviert startete und andere mitreißen konnte. Über Jahre hinweg nahmen äußere Faktoren jedoch zu, die ihre Motivation dämpften, sodass sie schließlich das Gefühl entwickelte, ihr inneres Feuer sei „gelöscht“ worden. Dieses Beispiel verdeutlichte:
- wie stark äußere Rahmenbedingungen wirken,
- wie überdauernde Entmutigungen sich verfestigen können,
- und wie wichtig Perspektivenwechsel sowie Ressourcenaktivierung sind, um Motivation wiederzugewinnen.
Diese Erfahrung wurde im Vortrag aufgegriffen, um Methoden vorzustellen, mit denen Menschen ihre eigene Handlungsmacht wiederentdecken können.
Schulangst: Wenn emotionale Sicherheit fehlt
Im Verlauf des Vortrags wurde aus dem Chat die Frage eingebracht, wie ein Kind wieder motiviert werden kann, die Schule zu besuchen, wenn Schulangst aktuell den Schulbesuch unmöglich macht. Moni reagierte darauf mit Nachdruck und zugleich mit Zuversicht. Sie machte deutlich, dass solche Situationen häufig mit tiefgreifenden inneren Bewertungen gekoppelt sind, die ein Kind im Laufe der Zeit entwickelt – häufig aufgrund wiederholter negativer Erlebnisse im schulischen Umfeld.
Sie beschrieb, dass Schulangst selten aus einem einzelnen Ereignis entsteht. Vielmehr handelt es sich oft um eine Verdichtung von abwertenden Interpretationen, die das Kind – bewusst oder unbewusst – lange mit sich trägt. Diese Bewertungen können sich an Erfahrungen entzünden wie:
- Ausgeschlossenwerden oder Mobbing,
- beschämende Situationen im Unterricht,
- die Angst vor Bewertung oder Bloßstellung,
- das Gefühl mangelnder sozialer Sicherheit.
Moni erklärte, dass diese Abwertungserfahrungen nicht nur einzelne Momente betreffen, sondern sich regelrecht „hochspeichern“ können – bis hin zu einer Panikreaktion, die das Kind in seiner Motivation vollständig blockiert. Motivation sei, so betonte sie, immer eng mit emotionaler Sicherheit verwoben. Fehlt diese, sei es völlig logisch, dass ein Kind keinen Zugang mehr zu seiner natürlichen Neugier und Lernfreude findet.
Gleichzeitig unterstrich sie eine zentrale Botschaft:
Auch eine verfestigte Angstreaktion ist gut behandelbar und hochgradig veränderbar.
Sie benannte explizit, dass selbst eine stärkere Angstreaktion oder eine daraus entstandene leichte Panik nicht als ein unveränderlicher Zustand verstanden werden sollte. Diese Formen der Belastung seien aus ihrer Sicht nicht nur bearbeitbar, sondern oftmals leichter zu überwinden, als viele Eltern und Fachpersonen vermuten würden.
Dabei verwies sie auf Seligmans Forschung, wonach selbst depressive Muster – nicht nur milde Angstreaktionen – innerhalb weniger Monate veränderbar sind, wenn Menschen lernen, ihre inneren Bewertungen systematisch zu analysieren und alternative Erklärungen zu entwickeln.
Moni hob ebenso hervor, dass diese Entwicklungen ohne Medikamente möglich sind und sich durch Methoden wie die ABC-Kette, systemische Perspektivwechsel und das Ausbalancieren motivationaler Grundbedürfnisse gut angehen lassen.
Ein wesentlicher Gedanke in ihrer Antwort war, dass ein Kind mit Schulangst in der Regel nicht „unmotiviert“ ist, sondern dass seine Grundbedürfnisse nach Sicherheit, Verbundenheit und Kompetenz im schulischen System verletzt oder dauerhaft destabilisiert wurden. Wenn Kinder sich bedroht fühlen oder das Gefühl haben, ständig bewertet zu werden, rutscht das gesamte emotionale System in einen Alarmzustand. Ein Zustand, in dem Lernen und Motivation biologisch kaum möglich sind.
Moni machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass es entscheidend ist, nicht das Kind als „Problem“ anzusehen, sondern die Bedingungen zu prüfen, die zu dieser Art von Angst geführt haben. Ebenso betonte sie, dass Hoffnung angezeigt ist: Schulangst ist veränderbar, oft mit überraschend guten Fortschritten, sobald neue Bewertungen, emotional sichere Bezugspunkte und wiederholte Erfolgserlebnisse aufgebaut werden.
Abschließend signalisierte sie der betreffenden Person im Chat Zuversicht und bestärkte sie darin, dass auch in Situationen ausgeprägter Schulangst Wege bestehen, das Kind in kleinen, stabilisierenden Schritten wieder an das Schulsystem und an die eigene Lernfreude heranzuführen.
Ohne Entscheidungs- und Handlungsspielraum keine Autonomie
Als ein anderer Teilnehmer schilderte, dass er in manchen Bereichen seines Berufslebens kaum Handlungsspielraum erlebe und Lösungswege dort strikt vorgegeben seien, reagierte Moni mit einer Einordnung, die seine Erfahrung in den größeren Kontext menschlicher Motivation stellte. Sie griff damit zentrale Punkte ihres Vortrags auf, in denen sie erläuterte, dass Motivation unmittelbar an die Erfüllung bestimmter Grundbedürfnisse gekoppelt ist – insbesondere an Autonomie, Kompetenzerleben und Eingebundenheit.
Moni machte deutlich, dass Situationen wie die von dem Teilnehmer beschriebenen einen erheblichen Einfluss auf das innere Erleben haben. Wenn äußere Bedingungen dauerhaft so gestaltet sind, dass Menschen wenig Entscheidungsspielraum haben oder keine Wirkung ihres Handelns erkennen, geraten sie in einen Zustand, der sich wie ein „gelöschtes Feuer“ anfühlt. Sie betonte, dass dies kein Zeichen persönlicher Schwäche sei, sondern eine Vorhersage des Systems, das Autonomie und Wirksamkeit nicht zulässt.
Um diese Dynamik zu erklären, verwies sie auf das Zusammenspiel zwischen inneren und äußeren Einflussfaktoren. Moni beschrieb, dass ein Motivationsverlust häufig dann entsteht, wenn Menschen über längere Zeit die Erfahrung machen, dass ihre Bemühungen weder anerkannt noch wirksam sind. In solchen Kontexten entsteht das Gefühl, dass das eigene Feuer „erlischt“ – nicht weil es tatsächlich verschwindet, sondern weil es durch ungünstige Rahmenbedingungen überdeckt wird. Sie hob hervor, dass sowohl interne Anteile („Was habe ich selbst gelöscht?“) als auch systemische Anteile („Was wurde von außen gelöscht?“) beteiligt sein können.
Und: Das Motivationsfeuer sei ein grundlegender Teil der menschlichen Natur und könne daher nicht zerstört werden. Es bleibe als Glut bestehen. Auch dann, wenn Menschen über lange Zeit das Gefühl hatten, keinen Einfluss zu haben. Moni betonte, dass das Feuer wieder entfacht werden könne, wenn es gelingt, die Variablen der Motivation zu analysieren: Welche Bedingungen im Umfeld engen die Autonomie ein? Welche Muster der Selbstinterpretation verstärken das Gefühl fehlender Handlungsmacht? Und welche Aspekte können aktiv verändert oder neu gestaltet werden?
Damit verband sie die Erfahrung des Teilnehmers mit dem Konzept der Selbstbestimmungstheorie: Fehlt Autonomie, sinkt natürlicherweise die Motivation. Doch selbst in starren Systemen könne es gelingen, kleine Inseln der Selbstwirksamkeit zu schaffen, innere oder äußere Spielräume, die es erlauben, wieder Einfluss zu erleben. In Fällen, in denen das bestehende System diese Spielräume dauerhaft verweigert, könne es notwendig sein, den eigenen Fokus zu verschieben: hin zu Bereichen oder Rollen, in denen Kompetenz und Autonomie wieder erlebt werden können.
Abschließend machte Moni deutlich, dass die Wahrnehmung fehlender Handlungsmacht häufig ein Warnsignal dafür ist, dass die motivationalen Grundbedürfnisse aus der Balance geraten sind. Der Weg zurück zur Motivation führt daher nicht über Anpassung an starre Vorgaben, sondern über die bewusste Wiederherstellung dieser Balance durch Perspektivwechsel, Überprüfung von Bewertungssystemen und das aktive Gestalten realistischer Einflussmöglichkeiten.
Die Kita-Szene: Missverständnisse und Perspektivenwechsel
In einem weiteren Beispiel verdeutlichte Moni den Einfluss von Wahrnehmung und Attribution. Eine Erzieherin interpretierte die Haltung eines Kindes – scheinbar auf dem Tisch liegend – als Langeweile und somit Misserfolg ihres pädagogischen Angebots. Ein Perspektivenwechsel machte jedoch sichtbar, dass das Kind hochkonzentriert arbeitete.
Dieses Beispiel unterstreicht:
- wie stark innere Überzeugungen Wahrnehmungen verzerren,
- wie schnell Menschen globale, dauerhafte Selbstabwertungen erzeugen („Ich kann das nicht“),
- und wie wichtig realitätsnahe, alternative Bewertungen sind, um Motivation zu erhalten.
Die Szene wurde genutzt, um zu zeigen, wie ein einziger Perspektivenwechsel eine komplett neue Deutung ermöglicht.
Methoden und praktische Impulse
Die ABC-Kette
Die ABC-Kette bzw. die darauf basierende Übung „Optimistische Denkgewohnheiten entwickeln und pflegen“ beschreibt die Abfolge:
- A – Auslösendes Ereignis
- B – Bewertung
- C – Konsequente Gefühle und Handlungen
Die Methode ermöglicht, automatische Bewertungen zu erkennen und alternative, realitätsnahe Deutungen zu entwickeln. Damit werden neue Gefühle wahrscheinlicher und andere Handlungen möglich. Die ABC-Kette unterstützt insbesondere:
- Selbstreflexion,
- Erkennen eigener Muster,
- und bewusstes Umlenken von automatischen Reaktionen.
Perspektivenwechsel
Perspektivenwechsel wurde erneut als zentrale Methode beschrieben. Der Wechsel der räumlichen, emotionalen oder gedanklichen Perspektive ermöglicht:
- neue Erkenntnisse,
- differenziertere Bewertungen,
- und das Durchbrechen destruktiver Denkmuster.
Die Kita-Szene war ein prägnantes Beispiel dafür. Perspektivenwechsel dient damit nicht nur der Situationsklärung, sondern wirkt direkt motivationsfördernd.
Elemente der Positiven Psychologie
Die Positive Psychologie liefert mehrere Impulse zur Stärkung von Motivation:
- Fokussieren auf das Veränderbare statt auf das Unveränderbare
- Förderung positiver Emotionen und realitätsnaher Hoffnung
Selbstmitgefühl und emotionale Regulation
Aktivierung persönlicher Ressourcen
Erkennen eigener Stärken und Handlungsmöglichkeiten
Umgang mit Stress durch Akzeptanz und Selbstwirksamkeit
Diese Aspekte ergänzen sich und bilden ein systematisches Set an Werkzeugen.
Optimismus, Attribution und die Dynamik der erlernten Hilflosigkeit
Im Vortrag spielte die Forschung von Martin Seligman eine zentrale Rolle – nicht nur als Ursprung der Positiven Psychologie, sondern gerade auch aufgrund seines Modells der *erlernten Hilflosigkeit*. Tobias griff diesen Ansatz auf, um zu erläutern, wie eng unsere Motivation mit unseren inneren Erklärungen von Erfolg und Misserfolg verbunden ist.
Er betonte, dass Motivation weniger daran hängt, *was* wir erleben, sondern vor allem daran, wie wir diese Erfahrungen deuten. Werden Schwierigkeiten als Einzelfälle betrachtet, bleibt Handlungsfähigkeit erhalten. Werden sie jedoch als dauerhaft, umfassend und persönlich verursacht interpretiert, entsteht ein gefährlicher Kreislauf aus Entmutigung und Rückzug.
Tobias zeigte dabei die drei Stadien, die Seligman beschreibt:
Motivationales Defizit
Wenn Menschen beginnen zu glauben, dass ihr Handeln ohnehin scheitert, verlieren sie die Bereitschaft, neue Situationen anzugehen. Sie ziehen sich zurück, vermeiden Belastendes und erleben immer weniger Momente, in denen Selbstwirksamkeit entstehen könnte. Dies äußert sich als „keine Lust mehr“, bestimmte Situationen überhaupt noch zu betreten, weil das erwartete Ergebnis negativ erscheint.
Kognitives Defizit
Durch diesen Rückzug verlernen Menschen buchstäblich, wie man herausfordernde Situationen bewältigt – nicht, weil sie dazu nicht in der Lage wären, sondern weil Übung und Erfahrung fehlen. Dadurch bestätigt sich die Annahme des „Nicht-Könnens“. Der Handlungsspielraum schrumpft weiter, und das Denken wird zunehmend starr.
Emotionales Defizit
Schließlich entsteht eine emotionale Überlastung: Schuldgefühle nehmen zu, die Überzeugung des eigenen Versagens verhärtet sich, und innere Erklärungen werden immer negativer. Tobias beschreibt, dass sich sogar Störungen entwickeln können, wenn dieser Zustand anhält. Menschen erleben sich dann als vollständig überfordert und sehen keine Optionen mehr, Einfluss zu nehmen.
Positiver Ausweg: Optimistische, realitätsnahe Attributionen
Im Anschluss verband Moni diese Ausführungen mit ihrem eigenen Feuer-Metapher-Beispiel aus dem Vortrag: Wenn Menschen über längere Zeit wahrnehmen, dass ihr Handeln keine Wirkung zeigt, interpretieren sie das Erleben so, als wäre ihr inneres Feuer „erloschen“ oder „gelöscht“ worden. Das Entscheidende ist jedoch: Dieses Feuer kann wieder entfacht werden – durch Wertschätzung, Resonanz, Perspektivenwechsel und das Ausbalancieren der eigenen motivationalen Grundbedürfnisse.
Tobias machte deutlich, dass die von Moni vorgestellten Erklärungsmuster – insbesondere die Dimensionen Zeit (dauerhaft vs. temporär), Geltungsbereich (global vs. spezifisch) und Personalisie-rung (internal vs. external) – genau jene Stellschrauben sind, an denen erlernte Hilflosigkeit entsteht oder verhindert wird.
Optimistische Menschen erklären sich Schwierigkeiten anders als pessimistische: nicht schönfärbend, sondern realitätsnah und differenziert.
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ABC-Kette als Methode gegen Hilflosigkeit
Die ABC-Kette, die Moni bereits erläuterte, ist ein direktes Gegenmittel zu diesen Hilflosigkeitsmustern.
Sie setzt an der inneren Bewertung an („B“) und ermöglicht eine Veränderung der Gefühle und des Verhaltens („C“), indem das auslösende Ereignis („A“) aus mehreren Perspektiven betrachtet wird.
Tobias unterstreicht, dass diese alternative Sichtweise der erste Schritt ist, aus einem Kreislauf der Hilflosigkeit auszutreten oder gar nicht erst hineinzurutschen.
Verbindung zur Positiven Psychologie
Die Positive Psychologie betont, dass optimistische Erklärungen erlernbar sind – nicht naiv, nicht rosa, sondern realitätsbezogen. Moni beschreibt sie als „realitätsnahe Denk- und Analysegewohnheiten“, die Menschen befähigen, Wirkungsmöglichkeiten zu sehen statt ausschließlich Defizite. Damit werden individuelle Ressourcen sichtbar und Verhaltensveränderungen werden möglich.
Seligmans Forschung zeigt zudem: Selbst depressive Muster können sich über Monate hinweg durch neue, optimistischere Attributionen und Methoden wie die ABC-Kettenmethode auflösen – nicht durch Ignorieren des Problems, sondern durch einen systematischen Perspektivenwechsel hin zu Einflussmöglichkeiten, Handlungsspielräumen und kleinen Erfolgserfahrungen.
Beantwortung der drei Leitfragen
Was motiviert Menschen wirklich?
Menschen sind motiviert, wenn:
- sie Autonomie erleben,
- eigene Fähigkeiten spürbar einsetzen können,
- soziale Verbundenheit erfahren,
- sich sicher fühlen
- und Sinn in ihrem Handeln sehen.
Motivation entsteht dort, wo Bedürfnisse erfüllt sind und emotionale Resonanz gegeben ist. Sie wird geschwächt, wenn Menschen Überforderung, Ausschluss, Fremdbestimmung oder ungelöste Ängste erfahren.
Wie kann Motivation erzeugt und konstruktiv genutzt werden?
- Motivation lässt sich aktiv fördern durch:
Begeisterung für ein Ziel oder Thema, - Bewusstmachung eigener Muster, Fähigkeiten und Hindernisse,
- Begleitung und Unterstützung durch andere,
- Befähigung durch Training, Methoden oder neue Perspektiven,
- realitätsnahe positive Zuschreibungen,
- und soziale Resonanz.
Motivation wird wirksam, wenn sie nicht nur entsteht, sondern bewusst in Handlung umgesetzt wird – etwa durch zielorientiertes Denken, Perspektivenwechsel oder das Aktivieren eigener Ressourcen.
Wie entsteht eine Haltung, die Handlungsfähigkeit, Verbundenheit und Sinn ermöglicht?
Eine solche Haltung entwickelt sich durch:
- bedingungsfreie Wertschätzung
- empathische Selbst- und Fremdwahrnehmung
- Kongruenz im Umgang mit eigenen Gefühlen
- realistischen Optimismus
- innere Ordnung und äußere Erneuerung im Gleichgewicht
- Sinnorientierung
- konstruktives Emotionsmanagement
- Verbundenheit mit anderen Menschen
- Erkennen und Nutzen eigener Einflussmöglichkeiten
Diese Haltung ist nicht angeboren, sondern erlernbar. Sie bildet die Grundlage dafür, Herausforderungen zu bewältigen und sich selbst als wirksam zu erleben.
Abschluss
Der Vortrag verband wissenschaftliche Erkenntnisse, praktische Methoden und alltagsnahe Beispiele zu einer umfassenden Perspektive auf Motivation und Optimismus. Er verdeutlichte, dass Motivation nicht zufällig entsteht, sondern durch die Wechselwirkung von Bedürfnissen, Wahrnehmungen, Emotionen und sozialen Beziehungen.
Optimismus wurde als realitätsnahe Haltung beschrieben, die den Blick auf Möglichkeiten richtet und Menschen befähigt, schwierige Situationen aktiv zu gestalten. Die vorgestellten Methoden unterstützen dabei, eigene Muster zu erkennen, alternative Perspektiven einzunehmen und Motivation zu stärken – sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext.
„Das Buch bietet einen vielfältigen und dabei sehr differenzierten Überblick über die große Landschaft des Coachings. Besonders wertvoll dabei finde ich, wie überzeugend dargelegt wird, dass alle Methoden, Techniken und ‚tools‘ ihren Wert erst gewinnen durch eine ethisch kongruente Haltung mit tiefem Respekt vor der Einzigartigkeit und Unterschiedlichkeit von Menschen. Mit seiner Offenheit ansteckenden Neugier auch über den ‚Tellerrand des Coachings‘ hinaus und auf die sich in Coachings begegnenden multiplen Perspektiven bietet es einen reichhaltigen Schatz sehr anregender Lernchancen.“
Dr. med. Dipl. rer. pol. Gunther Schmidt
„Dieses Buch ist wichtig, weil es eine Sache deutlich macht: Coaching braucht Haltung. Und diese Coaching-Haltung beschränkt sich nicht auf eine Methode, Schule oder Theorie. Sie ist interdisziplinär. Aus meiner Sicht ist das die Grundlage für die Profession Coaching.“
Literaturverzeichnis und Literaturempfehlungen
Baden-Württemberg Ministerium für Kultus Jugend und Sport (2025). Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege. Freiburg/Basel/Wien (Herder).
Blickhan, D. (2024). Von der Lösungs- zur Wachstumsorientierung – Positive Psychologie im Coaching. In: M. Zimmermann (Hrsg.): Coaching – zum Wachstum inspirieren. Ein interdisziplinäres, integratives Handbuch. Heidelberg: Carl-Auer, S. 268-283.
Deci, E.L. & Ryan, R.M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik 39/2, S. 223-238.
Ellis A. (1991). The revised ABC’s of Rational-Emotive Therapy (RET). Journal of Rational-Emotive & Cognitive-Behavior Therapy, 9, 139–172.
Friesenhahn, J. (2016). Die Rolle von Motivation im Coaching. Die Karriereleiter schwungvoll erklimmen. Coaching-Magazin, 4/2016. https://www.coaching-magazin.de/konzepte/motivation-coaching (20.07.2023).
Rogers, C. (1993). Der neue Mensch (5. Aufl.). Stuttgart: Klett-Cotta.
Seligman, M. E. P. (2001). Pessimisten küsst man nicht: Optimismus kann man lernen (Vollst. Taschenbuchausg.). München: Droemer Knaur.
Zimmermann, M. (2011). Naturwissenschaftliche Bildung im Kindergarten: Eine integrative Längsschnittstudie zur Kompetenzentwicklung von Erzieherinnen. Studien zum Physik- und Chemielernen (Bd. 128). Berlin: Logos.
erscheint im Laufe des Jahres 2026
Zimmermann, M., L. Schäfer u. U. Wagner (2026). Artgerecht stark bleiben – Resilienzförderung im Coaching mit Begeisterung, Bewusstsein und Befähigung. Heidelberg (Carl-Auer).
Zimmermann, M. u. J. Wunder (Hrsg.) (2026). Du bist die Methode. Professionell Coachen durch Interdisziplinarität und Perspektivenreichtum. Heidelberg (Carl-Auer).
Zimmermann, M. (2026). Motivation verstehen – Motivation leben: Ein Wegweiser für den pädagogischen Alltag. KiTa aktuell 2026 (1): x-x.
Zimmermann, M. (2026). Optimismus ist lernbar: Motivation neu denken mit der Positiven Psychologie. KiTa aktuell 2026 (2): x-x.












