Was werde ich heute wahrnehmen und für "real" halten?

Wahrnehmung: Prägung oder Bewertung?

Ein Beitrag von Alexandra Cornelius und Monika Zimmermann

Liebe*r Leser*in, was sehen Sie?
Profil oder Frontansicht?

Wir alle kennen diese Bilder, die ein bisschen den optischen Sinn täuschen. Da diskutieren zwei Menschen über das, was zu sehen sei, denn sie sehen Unterschiedliches und halten das jeweilig Ihre für die absolute Wahrheit. Machen Sie sich bewusst, wir sprechen hier lediglich von einem Sinneskanal. Komplex wird es spätestens, wenn alle fünf Sinne (VAKOG: visuell, auditiv, kinästhetisch, olfaktorisch, gustatorisch) dazu geschaltet werden. Ein Student fragte bei der Reflexion in der Gruppe zu einem Kippbild, er konnte nur eine Variante wahrnehmen, ob sein Gehirn in Ordnung sei. Ich konnte ihn beruhigen. Durch die essentielle Verstörung, die er erfahren hatte, war seine innere Landkarte in diesem Moment ein bisschen verschoben worden. Wir Menschen sind in jeder Sekunde zig Millionen Sinneseindrücken ausgesetzt. Um das zu überleben, muss unser Gehirn filtern und bewerten. Dies ist eine unglaubliche Leistung. Wir sind durch vielerlei Einflüsse geprägte, lebende Systeme, welche ihre Erfahrungen und gelernten Muster auf ihre Umwelt anwenden, um in ihr zurecht zu kommen.

Prägung ist ein sehr vielschichtiges Phänomen: Individuelle Sozialisation geschieht in Familie, Freundeskreis, Schule bis hin zu den kulturellen Kontexten, in denen Menschen aufwachsen. Auch die Einbindung im beruflichen Kontext formt die eigene Wahrnehmung und das eigene Wahrheitsverständnis merklich mit. Hinzu kommen individuell erworbene Wertevorstellungen, Glaubenssätze, die sich ausgeprägt haben, sowie individuelle Stimmungslagen. Ist es vor diesem Hintergrund hilfreich, eigene Wahrnehmungen als „die“ Wahrheit zu „verkaufen“ und diese sogar unter Einsatz von Gewalt erzwingen zu wollen? Oder enthüllt ein solches Verhalten nicht vielmehr eine weitere bedenkliche Facette der menschlichen Natur?

Mit diesem Wissen, und als Systemikerinnen müssen wir dieses eigentlich schon wieder aus einer Haltung des Nichtwissens heraus in Frage stellen, leuchtet es ein, von subjektiver Wahrnehmung zu sprechen. Aus einer konstruktivistischen Haltung heraus gehen wir davon aus, dass es nicht die EINE Wahrheit geben kann.

Wie können wir damit umgehen? Wie gelingt es uns, unterschiedliche Wahrnehmungen transparent zu machen, darüber in Austausch zu kommen und dann ein Verständnis für unseren Gegenüber zu entwickeln?

Der radikale Konstruktivismus ist jedenfalls der Ansicht, dass wir nicht nur in den Kategorien „richtig oder falsch“ bzw. „entweder – oder“, sondern auch in einem „sowohl als auch“ denken können. So ist es im Falle des Kippbildes möglich, sowohl Front- als auch Profilansicht wahrzunehmen.

Heinz von Förster hat das Phänomen der Beobachtung und der daraus resultierenden Bewertung unter einem ethischen Aspekt beantwortet: Für ihn war die Beobachtung nicht von der beobachtenden Person zu trennen. Der*die Beobachter*in ist nach seinem Ansatz ein Mensch der*die seine*ihre eigene Beobachtung und Beschreibung verantworten muss. Wir möchten Sie zu folgender Frage einladen: Wo haben Sie heute schon Verantwortung für Ihre Beobachtung und Bewertung übernommen?

Dieses Verständnis von Wahrheit, welche sich an subjektiver Wahrnehmung und nicht objektiven Gegebenheiten orientiert, ist ein zentraler Aspekt der Coaching-Ausbildung am Zentrum für interdisziplinäres Coaching. Einerseits begegnen wir uns als Ausbildende und Auszubildende gegenseitig mit der Offenheit, welche die konstruktivistische Haltung mit sich bringt. Andererseits lernen Sie, für den Umgang mit Ihren zukünftigen Klient*innen, deren subjektive Wahrheit als solche anzunehmen und mit ihr, anstatt gegen sie, zu arbeiten.
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