ZSL Herbstakademie 2023

Weltbewusst von Anfang an!

Mit Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) die Welt mitgestalten

Das Thema Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) spielt eine bedeutsame Rolle im Rahmen sämtlicher Nachhaltigkeitsziele und -aktivitäten. Denn es handelt sich dabei um eine Bildung, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln mit Blick auf ihre Umwelt und ihre Mitwelt befähigt. „Bildung für nachhaltige Entwicklung ermöglicht es jedem Einzelnen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen.“

BNE öffnet Erfahrungs- und Erprobungsräume im Angesicht globaler Herausforderungen und ermöglicht Persönlichkeitsbildung mit dem Fokus auf handlungsleitende Werte, Motivationen, Haltungen, Wissensbestände und Fähigkeiten. BNE ist kein Lernen über die Welt, sondern ein aktives und handlungsorientiertes Lernen in der Welt.

BNE betrachtet gleichermaßen ökologische, ökonomische, soziale, kulturelle und politische Aspekte und zieht sich in im Zusammenleben mit Kindern, in der Zusammenarbeit der pädagogischen Fachkräfte und Familien wie ein roter Faden durch alle Lebens- und Arbeitsbereiche einer Kita. Im weiterentwickelten Orientierungsplan für Bildung und Erziehung für die Baden-Württembergischen Kindergärten, der voraussichtlich im Herbst 2024 veröffentlicht wird, ist BNE eines der grundlegenden Handlungsprinzipen. BNE ist auch ein Perspektivenwechsel.

BNE ist ein werteorientiertes Konzept und fußt auf den ethischen Prinzipien Menschenwürde, Demokratie, Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und Globale Gerechtigkeit. Es geht primär darum, eine Veränderung von Haltungen und Verhaltensweisen zu ermöglichen. BNE öffnet Lernwege und Erfahrungsräume für ein transformatives Lernen und fördert Kooperation, Partizipation, kritisches Denken und ermöglicht das Erfahren von Selbstwirksamkeit.

Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit zu stärken und zu erproben ist entscheidend. Einerseits geht es darum, dass wir Erwachsene manche gewohnten Denk- und Handlungsmuster mit Blick auf Nachhaltigkeit kritisch hinterfragen und einiges auch verlernen. Andererseits wird besonders Kindern durch BNE ermöglicht, zu erleben, dass sie ein Teil dieser Welt sind und dass sie auch selbst Einfluss nehmen können. Das macht sie stark.

Problem- vs. Lösungsorientierung
Problem- vs. Lösungsorientierung

Wir glauben fest daran, dass wir diese Welt mitgestalten können und müssen. Gleichzeitig setze ich an meiner Kurzdefinition von Coaching an: “Coaching unterstützt Individuen dabei, ihre Wahrnehmung zu erweitern, so dass sie in herausfordernden Situationen entscheidungs- und handlungsfähig sind.”

Indem wir Bildung und Coaching von Anfang an dafür einsetzen, die dafür erforderliche Haltung aufzubauen, können wir gemeinsam mit Kindern Gegenwart und Zukunft gestalten. Deshalb ist BNE bereits für Kitas besonders bedeutsam.

Karin Wirnsberger ist Bildungsreferentin für Globales Lernen und Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) und Autorin von Publikationen, Artikeln und Bildungsmaterialien rund um Globales Lernen/BNE. Ihre Schwerpunkte sind eine kreative und weltbewusste Bildungsarbeit in Kindergärten, Schulen, außerschulischen Bildungseinrichtungen und Kommunen. Sie bietet seit mehr als 25 Jahren Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte an, entwickelt und begleitet BNE-Bildungsprojekte und koordiniert seit 2020 landes- und bundesweite KITA-Projekte zu Globalem Lernen und BNE im Entwicklungspädagogischen Informationszentrum EPiZ Reutlingen:

Für sie ist klar: Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist keine Kür – Kinder haben das Recht auf eine lebenswerte Zukunft! BNE begeistert und befähigt Menschen jeden Alters dafür, die Welt friedlich, gerecht und zukunftsfähig mitzugestalten. Für eine nachhaltige Entwicklung in der frühkindlichen Bildung sind verschiedene Schlüsselkompetenzen entscheidend. Dazu gehören u.a. Empathie, Kommunikationsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Respekt, Mitgefühl, Neugierde, Offenheit, Ressourcenmanagement, Primär-Erfahrungen, Wissen, Resilienz, Zusammenhangswissen, nachhaltiges Wirtschaften, sorgsamer Umgang mit Grundressourcen, gewaltfreie Kommunikation, Fähigkeit zum Perspektivwechsel, Medienkompetenz, Gleichstellung von Mann und Frau, Beteiligungserfahrung, interkulturelle Kompetenz und Toleranz, sowie Diversitätsorientierung.

Alexander Gersts Video-Botschaft an (ungeborene) Enkel: “Ich schau auf euren wunderschönen Planeten” | DER SPIEGEL beschreibt all das in wunderbarer Weise.

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Diese Werte und Kompetenzen können bereits in der frühkindlichen Bildung verankert werden. Es geht darum, eine Grundhaltung der Dankbarkeit und Wertschätzung für die Vielfalt unserer Welt zu schaffen. Nachhaltige Entwicklung bedeutet, weltbewusst zu handeln und enkeltaugliche Entscheidungen zu treffen. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) spielt dabei eine zentrale Rolle.

BNE ermöglicht es, Menschen zum zukunftsfähigen Denken und Handeln zu befähigen, indem sie ein Verständnis für Umwelt, Mitwelt und die Konsequenzen unseres Handelns fördert. Dies schließt auch Globales Lernen, Friedensbildung, Demokratiebildung und mehr mit ein. Der frühkindliche Bereich ist ein entscheidender Startpunkt, um die Bereitschaft der Kinder zu fördern, sich mit Zusammenhängen auseinanderzusetzen und eine lebenswerte Weltgemeinschaft mitzugestalten.

Der Nationale Aktionsplan BNE, der Referenzrahmen BNE für die frühkindliche Bildung und der Orientierungsplan auf Landesebene in Baden-Württemberg bieten dabei Orientierung. BNE ist eine notwendige Haltung für die gesellschaftliche Transformation hin zu einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Gesellschaft. Es erfordert eine kontinuierliche Auseinandersetzung, Reflexion und Umsetzung auf individueller und gesellschaftlicher Ebene. Nachhaltigkeit ist eine Suchbewegung und ein Prozess, den wir gemeinsam mit den Kindern gestalten können, um aktiv auf positive Veränderungen hinzuwirken.

Karin Wirnsberger durfte ich übrigens beim gemeinsamen Schreiben in der Autorinnengruppe zum Handlungsprinzip BNE des Orientierungsplanes für Bildung und Erziehung in der Kita, Baden-Württemberg kennenlernen. Ihr offenes, begeistertes und begeisterndes Wesen ist mir sofort aufgefallen. Die Sympathie hält bis heute an. Inzwischen ist daraus das Ziel entstanden, zusammen mit unserer lieben Kollegin Gundula Büker, möglichst hilfreiche Weiterbildungen (mit Coaching) für die aus unserer Sicht über die Maßen kompetenten frühpädagogische Fachkräfte anzubieten. Wir möchten Kinder und Erwachsene (pädagogische Fachkräfte, Eltern, u.a.) darin unterstützen, die Umwelt und Mitwelt zu erkunden, globale Zusammenhänge zu erkennen, sich Gedanken über Gerechtigkeit, Ressourcen und den Umgang miteinander und mit der Natur zu machen. Wir gehen davon aus, dass wir dafür zunächst vor allem die pädagogischen Fachkräfte stärken müssen.

Auch bin ich sicher: Ein BNE gebildeter Mensch versteht die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt und trifft dementsprechend verantwortungsvolle Entscheidungen. Das betrifft m. E. die belebte und unbelebte Natur, Um- und Mit-Welt. Schon die Wahl meiner Studienfächer (Geografie, Religionswissenschaft, Deutsch, Medienpsychologie) ab dem 1. Semester zeigte meinen Wunsch nach interdisziplinärem Zugang zur Welt und zu uns als Spezies.

Das hat sich in meinem Lebensweg vielfältig geäußert: Exzellente Forschung an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg  und bis heute gehalten und ausdifferenziert beispielsweise in Naturwissenschaftlicher Bildung im Kindergarten.

Es ist wichtig, sich schon in der frühen Kindheit nicht als machtlos zu erleben, sondern ins Handeln zu kommen!

BNE ist nicht zu komplex für kleine Kinder. Denn es geht nicht darum, dass sie von früh an physikalische Wirkungen verstehen oder den Fairen Handel im Detail erklären können. Es geht darum, dass Kinder Bereitschaften und Einstellungen entwickeln, indem wir ihnen nachhaltiges Handeln vorleben und gemeinsam diese Erfahrungen mit ihnen teilen.

Kinder wachsen in dieser komplexen Welt auf. Sie erleben, was tagtäglich auf der Welt passiert. Sie bekommen auch Bilder mit, die Ängste in ihnen auslösen, z.B. durch Kriege oder Naturkatastrophen.

Der Kindergarten kann der Ort sein, wo Kinder mit all ihren Fragen und Ängsten wahrgenommen werden. Wo sie ins Handeln kommen können, weil sie durch pädagogische Fachkräfte darin unterstützt werden, sich nicht machtlos zu fühlen, sondern diesem Gefühl eine Handlung entgegenzusetzen, und wenn es noch so eine kleine sei. Beispielsweise haben die Kinder zu Beginn des Ukraine-Krieges in vielen Einrichtungen Fahnen oder Friedenszeichen gemalt. Es ist sehr wichtig, dass wir diese Lernräume für sie öffnen und Lernanlässe aufgreifen, in der Kita und auch in der Schule.

Lernen ZSL Herbstakademie 2023
Lernen in kleinen Schritten (Ausschnitt Präsentation ZSL Herbstakademie 2023)

Bildung für nachhaltige Entwicklung bezieht sich auf die vier Dimensionen der Nachhaltigkeit: Ökologie, Ökonomie, Soziales und Kulturelles und zielt auf die Umsetzung der Agenda 2030 mit den 17 Globalen Nachhaltigkeitszielen ab, die 2015 von allen Staaten der Welt gemeinsam verabschiedet wurde.
Auch wenn wir wissen, dass wir bis 2030 diese Ziele nicht erreichen werden, sind sie für BNE wie ein Leuchtturm, der uns die Richtung zeigt.

In Kitas kann mit kleinen Schritten die große Transformation unterstützt werden, indem wir mit der BNE-Brille auf den Alltag schauen. Wenn wir unter diesem Blickwinkel die alltäglichen Aktivitäten und Handlungen betrachten, und kleine und große Stellschrauben erkennen und an ihnen drehen, wird es uns gelingen, gemeinsam mit den Kindern BNE umzusetzen.

Dabei ist es wichtig, die Einrichtung als Ganzes im Sinne des Whole Institution Approach in den Blick zu nehmen und wirklich in allen Bereichen Bildung für nachhaltige Entwicklung umzusetzen – nach dem Motto „Wir leben, was wir lehren und lernen“. Die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiterinnen ist dabei ein wichtiger Aspekt. BNE sollte sich spürbar durch den Alltag der Einrichtung ziehen und auch die Basis für Kooperationen, z.B mit Schulen, der Gemeinde, Vereinen oder Produzent*innen sein.

Ausschnitt Präsentation ZSL Herbstakademie 2023
Ausschnitt Präsentation ZSL Herbstakademie 2023

„Und wenn wir etwas Gutes tuen, dann ist es wichtig darüber zu reden, darüber zu schreiben und anderen davon zu erzählen. Nicht um zu zeigen, wie „gut“ wir sind, sondern um andere zu inspirieren, für weltbewusstes Handeln zu begeistern und sie zum Nachmachen zu motivieren. Denn für alle engagierten Akteur*innen gilt: Nachmachen und Mitmachen ist ausdrücklich erwünscht!

Karin Wirnsberger

Die guten Nachrichten:

„Projektitis“ ist nicht notwendig – kleine stetige Schritte bewirken viel mehr!

Es sind die kleinen Augenblicke im Kita-Alltag, die wir aufmerksam im Blick haben sollten, denn genau da findet Lernen statt. Wir sollten lieber viele kleine Schritte in Richtung Nachhaltigkeit gehen und diese immer wieder wiederholen. Es ist wirksamer, in der Kita langfristige Lernanlässe für BNE zu integrieren, als große, aufwendige Projekte umzusetzen. Es sind eigentlich die vermeintlich „kleinen“ Dinge, die wirklich wichtig sind: eine Karotte einsähen, sie zum Wachsen bringen, sie zu versorgen, zu sehen, wie sie groß wird, sie selbst zu ernten, zu verkochen, zu essen. Oder auch wahrzunehmen, wie wir miteinander und mit der Vielfalt in unserer Einen Welt umgehen, welche Gesten wir einsetzen. Wie begrüßen wir die Kinder in der Früh? Fühlt sich jedes Kind von Anfang an willkommen? Wie ist unsere Sprache? Welches „Bild von Welt“ haben wir selbst und welches „Bild von Welt“ vermitteln wir den Kindern?

Das Zauberwort heißt „Begeisterung“.

Wer selbst von etwas begeistert ist, wird auch das Interesse der anderen wecken. Begeisterung wirkt ansteckend und ist eine wichtige Triebfeder für lebenslanges Lernen.

Begeisterung Präsentation ZSL Herbstakademie 2023
Begeisterung Präsentation ZSL Herbstakademie 2023

Und: Kitas müssen das Rad nicht neu erfinden, es gibt eine Vielfalt an detaillierten Informationen, Materialien, sowie Programme und Unterstützung von Expert*innen. Mehr dazu finden Sie auf den folgenden Websites:

Eine Übersicht zu inspirierenden Bildungsprogrammen und Angeboten finden Sie unter  KITA.weltbewusst.2030.

Erzählen Sie es weiter und machen Sie mit!

Bei Fragen wenden Sie sich gerne direkt an Karin Wirnsberger: karin.wirnsberger@epiz.de, Koordinatorin der KITA-Projekte am Entwicklungspädagogischen Informationszentrum EpiZ Reutlingen.

Themen aus dem Alltag der Kinder (Ausschnitt Präsentation ZSL Herbstakademie 2023)
Themen aus dem Alltag der Kinder (Ausschnitt Präsentation ZSL Herbstakademie 2023)

Wir sind dankbar für die bisherige Zusammenarbeit mit
Forum Frühkindliche Bildung Baden-Württemberg, Dr. Nataliya Soultanian,Tina Prinz und Dr. Nicole Sturmhöfel sowie Martina Hofheinz (Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung – ZSL, Stuttgart).