Zum Wachstum inspirieren – auch ohne reale Begegnung

Auszüge aus einem Interview von Prof. Dr. Monika Zimmermann mit Prof. Dr. Elke Berninger-Schäfer

Online Coaching

Digitalisierung – ein Buzzword, dass spätestens in den letzten zwei Jahren in nahezu allen Bereichen unseres täglichen Lebens unumgänglich wurde. Arbeit, Schule, Ausbildung, Freizeit und eben auch Coaching verlagern sich zunehmend in digitale Online-Räume. Allerdings wurde die Digitalisierung im Coaching-Bereich nicht erst durch die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen ein relevantes Thema. Zeitgemäßes und zukunftsorientiertes Coaching muss sich mit der Digitalisierung in all ihren Facetten auseinandersetzten. Viele Expert*innen beschäftigen sich schon seit Jahrzehnten mit den Möglichkeiten und Herausforderungen, die der digitale Wandel für Coaching bietet. Allen voran ist Prof. Dr. Elke Berninger-Schäfer, eine Kollegin Prof. Dr. Zimmermanns beim DBVC, eine führende Stimme im Themenfeld Online-Coaching.

Prof. Dr. Berninger Schaefer
Prof. Dr. Elke Berninger-Schäfer, Professorin an der HdWM (Hochschule der Wirtschaft für Management in Mannheim), Diplom-Psychologin, Senior Coach DBVC, Senior Coach IOBC, Lehrcoach und Supervisorin; als Inhaberin des Karlsruher Instituts mit den Schwerpunkten Führung, Coaching und Gesundheit bietet sie Weiterbildungen und Zertifikatsstudiengänge zum „Business-Coach“ und „Health-Coach“, sowie in „Online-Coaching“ und in „Leadership online“ an; Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der CAI GmbH und Mitherausgeberin der ersten deutschsprachigen, wissenschaftlichen Coaching-Zeitschrift Coaching | Theorie und Praxis (CTP).

Kontakt: www.karlsruher-institut.de
               
www.cai-world.de

Aus diesem Grund hat Prof. Dr. Monika Zimmermann ein Interview mit Frau Berninger-Schäfer geführt, welches in voller Länge in ihrem Herausgeberband “Coaching – zum Wachstum inspirieren. Ein interdisziplinäres, integratives Handbuch” erscheinen wird. Für diesen Band, dessen Veröffentlichung beim Carl-Auer-Verlag im Frühjahr 2023 geplant ist, arbeitet Frau Zimmermann mit Lehr-Therapeut*innen, Lehr-Coaches, Forschern, Lehrenden, Coaches und Führungskräften zusammen, die im Bereich Coaching wirklich etwas zu sagen und an „den Nachwuchs“ weiterzugeben haben, darunter selbstverständlich auch DIE Expertin für Online-Coaching.

In einem Interview teilt Prof. Dr. Berninger-Schäfer ihre Expertise sowie einige relevante Erkenntnisse aus ihrer langjährigen Erfahrung als Coach und Lehr-Coach im Off- sowie auch Online-Bereich. Im Folgenden finden Sie einige interessante Auszüge aus diesem Gespräch.

Inwiefern hat sich Dein traditionelles Verständnis von Coaching durch Deine Erfahrungen im Online-Coaching geändert?

Frau Berninger-Schäfer antwortet hierauf, dass sich ihr grundlegendes Coaching-Verständnis tatsächlich bestätigt hat. Es wurde lediglich erweitert durch Wirkfaktoren, Möglichkeiten und Kompetenzen, die besonders im Online-Bereich relevant sind. So spricht sie etwa von einer „Design-Kompetenz“ des Coaches, durch die er oder sie die Möglichkeiten des Online-Coachings wirksam ausschöpfen kann:

Durch das Online-Setting können wir mit Formaten spielen. Wir sind nicht mehr auf das klassische Format angewiesen. […] Mit Design-Kompetenz meine ich, dass ich Coaching-Formate so zusammenstelle, wie es für die Kund*innen passt. Das weicht die vorhandenen klassischen Formate auf, gibt mehr Spielräume, aber fordert von den Coaches auch die hierfür nötigen Kompetenzen.“

Zu diesen neuen Coaching-Formaten gehören etwa asynchrones Coachen, Coaching on the job, kurze Transfer-Coaching-Einheiten von 15 bis 20 Minuten und vieles mehr. Dank dieser Vielzahl an Formaten und der zusätzlichen Flexibilität, welche der Online-Raum bietet, können die Coaching-Angebote auf den oder die jeweilige Klient*in und sein*ihr Anliegen maßgeschneidert werden.

Häufig wird eine Trennung zwischen Online- und Offline-Coaching gezogen. Wie stehst Du hierzu? Siehst Du diese klare Trennung? Inwiefern beeinflusst diese Kontrastierung dein Coaching-Bild?

Frau Berninger-Schäfer antwortet, dass sie zwischen beiden gravierende Unterschiede sieht. Das einfache Übertragen des Präsenz-Settings auf ein digitales Kommunikationsmedium, auf das verständlicherweise viele Coaches während der Pandemie zurückgegriffen haben, ist für sie kein professionelles Online-Coaching. Stattdessen müssen sich Coaches mit dem vielen Wissen und Erfahrungen, die es schon zum Thema Online-Coaching gibt, auseinandersetzen, um kompetent mit diesen Unterschieden umgehen aber auch die vielen Vorteile des digitalen Raums nutzen zu können.

Als Kernelemente der Unterscheidung zwischen Präsenz- und Online-Coaching nennt Frau Berninger-Schäfer unter anderem die Kanalreduktion, d.h. die eingeschränkte Wahrnehmung bei einem digitalen Treffen. So kann man sich zwar sehen und hören, aber andere Sinneswahrnehmungen wie Geruch und Berührung fallen weg. Auch wahren Augenkontakt kann man durch Bildschirm und Kamera nicht herstellen. Anstatt dies als ein Handicap zu betrachten, sieht Frau Berninger-Schäfer es allerdings als einen Vorteil, welchen der Coach mit den richtigen Tools für sich und seine*n Klient*in ausnutzen kann. Anstatt nur audio-visuell zu arbeiten, coacht sie gerne im asynchronen Setting:

Es ist ein großer Vorteil des Online-Coachings, dass wir überhaupt asynchron arbeiten können, insbesondere wenn wir hierfür professionelle Coaching-Tools zur Verfügung haben. Hierfür müssen wir allerdings auch Kompetenzen entwickeln. Wenn ich zum Beispiel Chat-Phasen habe, kann ich nicht so lesen und schreiben, wie ich es sonst tue. Ich muss meine Schreibkompetenz entwickeln, genauso wie auditive Kompetenz und meine visuelle Kompetenz. Ich muss also Medienkommunikationskompetenz erwerben. Das ist der große Unterschied zwischen einer unprofessionellen und professionellen Herangehensweise.“

Ein weiteres ungemein wichtiges und leider oft vernachlässigtes Thema in Bezug auf Online-Coaching ist der Datenschutz. Frau Berninger-Schäfer berichtet, dass sie oft schockiert davon ist, wie fahrlässig damit umgegangen wird. Vielen mangelt es am nötigen Wissen, um adäquat mit diesem Thematik umgehen zu können, oder sogar am Willen sich dieses Wissen anzueignen. Frau Berninger-Schäfers Ratschlag dazu ist folgender:

„Wir müssen nicht Expert*innen werden, aber wir müssen zumindest lesen und Einiges lernen. Wem kann ich vertrauen, wer hat die Expertise, die mir fehlt? Ich kann manche Expertisen nicht selbst entwickeln, aber ich muss zumindest ein paar Leitplanken haben, an denen ich mich orientiere, damit ich weiß, wem ich vertrauen kann.“

Hierbei kann etwa der Ausschuss „Coaching in der digitalen Welt“ des DBVCs helfen, welcher Coaches Orientierung und sogar einen Selbstcheck in Sachen Datenschutz zur Verfügung stellt.

Was/wie ist für dich gutes Online-Coaching in der Zukunft?

Grundlegend für Frau Berninger-Schäfer ist hier, dass der Coach, egal ob offline oder online, ein fundiertes Coaching-Konzept hat, das auf erforschten und erwiesenen Wirkfaktoren basiert. Diese sind selbstverständlich im Online-Bereich anders als im Präsenz-Setting. Zum Beispiel ist es empirisch belegt, dass Menschen im Online-Setting hohe Selbstoffenbarung zeigen, sie also viel und schnell über sich selbst preisgeben, aber auch ein stärkeres Kontrollgefühl haben. All dies kann der Coach laut Frau Berninger-Schäfer gezielt und zielführend nutzen, wenn er nur weiß wie:

Ich kann stärkere Selbstreflexion auslösen, indem ich zum Beispiel schriftliche Sequenzen einbaue. Ich kann mit Transfertechniken arbeiten und, wenn ich in 3D-Welten arbeite, dann habe ich Wirkfaktoren wie Involvierung, Immersion und Präsenz. Damit muss ich mich auseinandersetzen und mein Coachingvorgehen entsprechend ausrichten. Das sind Kompetenzen, die ich neben der grundlegenden Coaching-Kompetenz erlernen muss.“

Auch die Fähigkeit den Online-Coaching-Prozess zu steuern und Wissen um die veränderte Beziehungsgestaltung im digitalen Bereich sind für Frau Berninger-Schäfer wesentlich, um als Coach in Zukunft wirksam online arbeiten zu können. Zusammengefasst hat sie diese verschiedenen Ansprüche an den Coach, ob er nun online oder offline arbeitet in diesen Ethikrichtlinien.

Wir bedanken uns bei Frau Berninger-Schäfer für dieses spannende und erkenntnisreiche Gespräch.

Online-Coaching ist m. E. eine unerlässliche Komponente von zeitgemäßem Coaching. Darum befasst sich auch das nächste Modul der Coaching-Ausbildung am Zentrum für interdisziplinäres Coaching mit diesem Thema und wird kongruent – im Sinne des pädagogischen Doppeldeckers – im Online-Format umgesetzt. In diesem Rahmen wird Frau Prof. Dr. Berning-Schäfer im kommenden Januar auch für unsere Auszubildenden einen Vortrag halten. Wir freuen uns darauf!


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