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Bergfest der Coaching-Ausbildung mit Inhalten zu Motivation im Coaching, dem Inneren Team und Organisationsentwicklung

Willkommen im Modul 4
Bergfest in der Coaching-Ausbildung

Die Gruppe CA 3 trifft sich zum vierten von sieben Ausbildungsmodulen – kaum zu glauben, wir feiern bereits Bergfest! Der Weg bis zum Abschluss als interdisziplinäre*r Coach wird absehbar. Gleichzeitig sind die Motivation und die Neugierde auf neue Inhalte sowie der Teamspirit in den Diskussionen und Übungen der 18 Teilnehmer*innen mit der Ausbildungsleiterin Prof. Dr. Monika Zimmermann und den Gastdozenten gleichsam ungebrochen. Nicht nur die Perspektivenvielfalt unserer Ausbildungsinhalte, auch die individuellen Sichtweisen in der Gruppe sind in jeder Hinsicht bereichernd.

Auch für unsere Tätigkeit als Coach brauchen wir Motivation in verschiedener Hinsicht. Doch was ist Motivation eigentlich genau? Wann sind wir als Mensch motiviert? Was treibt uns an, etwas zu tun oder etwas zu unterlassen? Warum tut eine Person, was sie tut und warum tut sie nicht, was sie nicht tut? Entsprechen wir lieber den Erwartungen und Anforderungen von außen bzw. dem, was wir gelernt haben? Oder folgen wir stärker unseren eigenen Bedürfnissen und können auf unser Inneres hören? Oder schaffen wir es sogar, beides auszubalancieren? Und haben wir das überhaupt gelernt?

Die Theorie: Über die Motivation

Motivation kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, darunter biologische Bedürfnisse wie Hunger und Durst (vgl. Maslow’sche Bedürfnispyramide), soziale Bedürfnisse wie Zugehörigkeit und Anerkennung, intrinsische Faktoren wie persönliche Interessen und Ziele, sowie extrinsische Motivationen durch Belohnungen wie z.B. Geld oder Lob.

Die psychologischen Grundbedürfnisse (vgl. Deci & Ryan 1993, S. 229) sind das Bedürfnis nach Kompetenzerleben, nach Selbstbestimmung und nach sozialer Eingebundenheit. Unter diesen drei Voraussetzungen ist Motivation auch im Coaching überhaupt möglich.

Wichtige Aspekte in den wissenschaftlichen Definitionen von Motivation sind:

  • Prozesse, die „die Bevorzugung einer Aktivität sowie der Stärke und Beharrlichkeit von Reaktionen steuern“ (Zimbardo und Gerrig 1999, S. 503),
  • Annäherungs- und/oder Vermeidungsziele, die auch miteinander konkurrieren können (Friesenhahn, 2016),
  • das Verfolgen bestimmter Zwecke, also der Intentionalität (Deci & Ryan 1993, S. 224), etwas erreichen zu wollen.
  • Und: Sinn motiviert uns! Nach der Logotherapie von Viktor Frankl treffen wir Entscheidungen im Kleinen wie im Großen nach dem Sinn, dem wir bestimmtes Handeln und Nicht-Handeln zuordnen.

In Ergänzung zum Begriff der Motivation ist die „Leistungsmotivation“ beeinflusst davon, wie Menschen Erfolge und Misserfolge interpretieren. Je nach vorherrschendem Attributionsstil, dem optimistischen oder dem pessimistischen, erklären Klienten sich die Welt ganz unterschiedlich. Daraus resultierende individuelle Bewertungen, Einstellungen und Leistungen beeinflussen die persönliche Motivation dementsprechend maßgeblich (Gerrig 2015, S. 454-455). Nach der Zielorientierungstheorie (vgl. Zimmermann, 2011, S. 79 ff) beeinflussen gleichzeitig auch festgelegte Ziele die individuelle Bewertung von Erfolg und Misserfolg. Je nach Attribuierung von Ergebniszielen (performance goals) oder Lernzielen (learning goals) kann Misserfolg künftig zu Vermeidungs- oder Bewältigungsstrategien führen und die Motivation mindern. Erreichbare Ziele und deren positive erwartete Konsequenzen führen hingegen zu mehr Motivation.

Das optimale Anforderungsniveau, das optimal arousal, ist gegeben, wenn eine Aufgabe weder als zu leicht (Langeweile) noch als zu schwer (Überforderung) empfunden wird.

Die Praxis: Ran an die Motivation unserer Coachees! Denn ohne Motivation kein Coaching-Erfolg.

Die Kompetenz zur Reflexion ist eine zentrale Fähigkeit von Coaches und nicht denkbar ohne einen hohen Grad an Motivation, die auch für die Wirksamkeit von Coaching über den gesamten Prozess hinweg notwendig ist. Als Coach ist es Teil unserer Prozess-Verantwortung dazu beizutragen, die Motivation des Coachee aufrecht zu erhalten, ein emphatisches Verständnis für dessen Motive und Grundbedürfnisse zu haben und seine Motivationstrigger zu finden, um ihn bei der Selbstreflexion bestmöglich zu unterstützen.

Wie kommen wir also ran an die Motivation unserer Coachees? Ein probates Mittel sind unangenehme Gefühle. Denn Gefühle, gleich ob gut oder schlecht, schön oder unangenehm, sind Ausdruck unterschiedlicher Motivationen (vgl. Eidenschink).

Gefühle und deren Bewertung sind unsere eigenen inneren Coaches. Wenn wir sie jedoch versuchen zu bekämpfen übergehen wir sie, obgleich sie ein wichtiger Teil von uns sind. Der Coach als „Mittäter“ und Prozessbegleiter kann diese Gefühle als Indikator und Informationsquelle nutzen, um neue Ebenen der Selbstwahrnehmung beim Coachee zu eröffnen. Diese Instanz der vergessenen und verratenen Bedürfnisse ist eine großartige Quelle, um den Coaching-Prozess zu beleben.

Innenschau
Innenschau - unangenehme Gefühle

Unangenehme Gefühle konkret zu benennen ist nicht einfach und erfordert viel Fingerspitzengefühl und ein hohes Maß an Vertrauen zwischen Coach und Coachee. Beim gemeinsamen Erkunden ermöglicht der Coach bestenfalls die Akzeptanz für das Gefühl, das die/der Coachee sich selbst (noch) nicht zugesteht und ist temporärer Stellvertreter für genau den inneren Anteil, den er (noch) nicht wahr bzw. ernst nimmt. In Gruppenübungen und echten Anliegen der Teilnehmer:innen zeigt sich zum Beispiel eine bisher unbeachtete Trauer aus dem Kindheitserleben, die sich heute in einem stark erhöhten Maß an Arbeit widerspiegelt.  

Das Innere Team

Um solche inneren Anteile geht es auch bei der Transaktionsanalyse und dem Ansatz des Inneren Teams. Die Transaktionsanalyse ist ein psychologisches Modell von Eric Berne, das Persönlichkeiten und Beziehungen in Bezug auf den drei Ebenen des Erwachsenen-Ich, des Eltern-Ich und des Kind-Ich betrachtet und erklärt, wie dadurch die Kommunikation und Interaktion beeinflusst werden (vgl. Stangl, 2024).

Der Psychologe Friedemann Schulz von Thun beschreibt eine andere, erweiterte Vorstellung mit dem Ansatz des Inneren Teams und verdeutlicht damit die noch größere Pluralität des menschlichen Innenlebens eindrucksvoll (vgl. Schulz v. Thun, 1998, S. 32 ff).

Inneres Team
Inneres Team

Verschiedene „innere Stimmen“ beeinflussen unsere Gedanken, Gefühle und Handlungen und repräsentieren unterschiedliche Aspekte unserer Persönlichkeit sowie unserer Erfahrungen und Überzeugungen. Sie können sich gegenseitig unterstützen oder in Konflikt geraten, miteinander in den Dialog treten und verschiedene Sichtweisen und Argumente hervorbringen. Alle Stimmen bedeuten gleichzeitig unterschiedliche Bedürfnisse, die sich am Abend auch anders bemerkbar machen können als tagsüber. Beispielsweise will eine Person nach Feierabend vielleicht einfach nicht mehr viel sprechen, weil sie in ihrer Rolle als Führungskraft tagsüber sehr viel kommuniziert hat, der in sich gekehrte Teil dabei zurücktreten musste, nun Bedarf meldet und gehört werden will. Vor einer Präsentation muss möglicherweise hingegen die „Siegesgöttin“ aktiviert werden, die sich sonst lieber nobel zurückhält, um überzeugend aufzutreten und eine Idee durchzusetzen.

Die eigenen “Stammspieler“ kennt man als Oberhaupt meist gut und setzt sie häufig ein. Zu erkennen, dass in bestimmten Situationen auch mal andere Spieler nützlich sein könnten, die seltener aktiviert werden, bedeutet mehr und bessere Handlungsoptionen, gerade in schwierigen Situationen. Es lohnt sich, alle kennenzulernen! Und herauszufinden, wie sie bei Bedarf von der „Reservebank“ geholt werden können. Was motiviert solche Anteile in uns? Was triggert sie? Vielleicht Musik, bestimmte Gerüche oder eine bestimmte Art zu atmen?

Eine große Anzahl innerer Teammitglieder ist übrigens völlig normal. Je vielfältiger ein Mensch in seinen Interessen und Erfahrungen ist, umso mehr „Charaktere“ trägt er in sich. Dann ist es auch möglich, dieses große Team für einen besseren Überblick in „Abteilungen“ zusammenzufassen, eventuell sogar ein kleines Organigramm zu erstellen, wie in einem realen Team auch.

Beispiel - Inneres Team
Beispiel eines Inneren Teams

Wer „seine“ Teammitglieder kennt, kann auch lernen, sie zu steuern. Je mehr Kenntnis und Überblick der Chef oder die Chefin hat, umso optimaler kann der innere Dialog geführt und das jeweils passende Team bestimmt und adäquat eingesetzt werden.

Interessant ist das übrigens auch für Team-Coachings und (Konflikt-)Situationen: Das äußere Team im echten Leben, ganz gleich, ob in der Familie, im Verein oder am Arbeitsplatz, funktioniert genau so wie das Innere Team jedes einzelnen Individuums. Daraus resultiert eine enorme Vielfalt an Kombinationsmöglichkeiten in verschiedenen Situationen. Dies spiegelt sich oft in einer schwierigen inneren und/oder äußeren Kommunikation wider und ist ein häufiger Anlass für Konfliktmanagement.

Mehr zu Teams und Change, zu Transformation und Organisationsentwicklung in einer separaten Kolumne über die Inhalte, die unser Gastdozent Christian Wewezow mit uns geteilt hat.

Trust the process

Übung macht den Meister, und beim Zuschauen kann auch viel gelernt werden. Deshalb bekommt die Ausbildungsgruppe einen Einblick ins Profi-Dasein der Ausbildungsleiterin Prof. Dr. Monika Zimmermann, die mit einem Teilnehmer ein Live-Coaching zur Aufstellung seines Inneren Teams macht. Es ist erstaunlich, wie schnell anhand unangenehmer Gefühle (siehe oben) klar werden kann, welche inneren Anteile der Coachee bisher nicht gesehen hat und nun besser kennenlernt, um deren Bedürfnis und Motivation zu verstehen (und künftig darauf eingehen zu können). In Kleingruppen wird direkt danach selbst weitergeübt und ausprobiert, um weitere eigene Erfahrungen und Erkenntnisse zu sammeln.

Auch dieses Ausbildungsmodul zeigt: Trust the process. Bist du als Coach bereit, dich voll und ganz dem Anliegen des Klienten hinzugeben, ist es unerheblich, ob überhaupt und wenn ja, welche Methode angewendet wird, um es zu klären. Die Kenntnisse um Motivation, unangenehme Gefühle und das Innere Team sind eine wichtige Wissensgrundlage und eine Bereicherung im Coaching-Prozess. Sie können uns helfen, unseren und den Blick der*des Coachee zu weiten und damit neue Perspektiven zu eröffnen. Und gleichzeitig bleibt es dabei: Die Haltung macht’s, nicht die Methode!

Mentimeter mit Kernerkenntnissen CA 3 aus Modul 4
Mentimeter mit Kernerkenntnissen CA 3 aus Modul 4

„Wie immer sehr kompetent und inspirierend – viel Praxis! Toll!!!
„Das Democoaching war super!”

(beispielhaftes Feedback der Teilnehmer*innen)

Auch die Kernerkenntnisse aus dem Mentimeter zeigen wieder, wie vielfältig unsere vermittelten Inhalte in der Ausbildung zum interdisziplinären Coach auch in diesem Modul sind, wie wir unsere Sichtweisen immer weiter differenzieren und rund um den großen Themenkomplex Motivation und Inneres Team viele verschiedene relevante Begriffe und individuelle Perspektiven gruppiert sind. Von Flow und Frust, von Geduld bis Ungeduld – es gibt kein Entweder-Oder. Und wir sind alle viele.

verwendete Literatur und Literaturempfehlungen

Behrendt, P. (2012). Freiburger Erfolgsfaktoren-Coaching – Vier Erfolgsfaktoren zur Etablierung von Konsistenz bei Coachees. S. 65.

Deci, E. L., & Ryan, R. M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 39(2), 223-238.

Eidenschink, K. Wenn das Gute schlecht ist (3): Unangenehme Gefühle. Beitrag auf LinkedIn vom 17.09.2023, URL: https://www.linkedin.com/posts/klaus-eidenschink-4180a292_metatheoriederveraenderung-coaching-activity-7109045811824451584-d7JU?utm_source=share&utm_medium=member_desktop, (Abruf am 21.09.2023, 11:57 Uhr)

Euteneier, A. (Hrsg.). (2015). Motivation und Verhalten. In A. Euteneier (Hrsg.), Handbuch Klinisches Risikomanagement, Erfolgskonzepte Praxis- & Krankenhaus- Management (S. 126-132).

Friesenhahn, J. (2016). Die Rolle von Motivation im Coaching. Die Karriereleiter schwungvoll erklimmen. Coaching-Magazin, 4/2016. Verfügbar unter: https://www.coaching-magazin.de/konzepte/motivation-coaching [letzter Zugriff 20.07.2023].

Gerrig, R.J. (2015). Psychologie. 20. aktualisierte Aufl. Hallbergmoos: Pearson Deutschland.

Nerdinger, F. W. (2011). Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit. In F. W. Nerdinger (Hrsg.), Buchtitel (Kapitel 24, S. 401).

Schattke, K. (2011). Motivation. Mit Kopf, Bauch, Hand – und wissenschaftlicher Erkenntnis. Coaching-Magazin, 4/2011. Verfügbar unter: https://www.coaching-magazin.de/coaching-tools/methoden/motivation-untertitel-mit-kopf-bauch-hand-und-wissenschaftlicher-erkenntnis [letzter Zugriff 20.07.2023].

Schulz von Thun, F. (1998). Miteinander reden 3. Das ‚innere Team‘ und situationsgerechte Kommunikation. Reinbek: Rowohlt.​

Stangl, W. (2024). Transaktionsanalyse. [werner stangl]s arbeitsblätter. 
https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/Transaktionsanalyse.shtml (Abruf 01.04.2024, 19.01 Uhr)

Zimbardo, P., Gerrig, R. J. (1999). Psychologie. 7. Auflage. Verlag: Springer. Berlin

Zimmermann, M. (2011). Naturwissenschaftliche Bildung im Kindergarten: Eine integrative Längsschnittstudie zur Kompetenzentwicklung von Erzieherinnen. Studien zum Physik- und Chemielernen (Bd. 128). Berlin: Logos.

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Prof. Dr. Jürgen Kriz, Universität Osnabrück