Resonanz und Empathie zu Ostern

Wertschätzung, Empathie und Kongruenz – der WEK-Ruf

Wertschätzung, Empathie und Kongruenz – 3 Grundhaltungen für ein wachstumsförderndes Klima

Der „WEK-Ruf“ (Zimmermann 2011, S. 95ff.) nach Carl Rogers prägt das „Kern-Werte-Trio“ vieler Coaching- und Führungsverständnisse. Er nimmt Bezug auf die drei Basisvariablen als „Drei Bedingungen, die ein wachstumsförderndes Klima schaffen“ (nach Rogers 1957, S. 95-103).

Wertschätzung, Empathie und Kongruenz: Kommen diese drei Variablen kombiniert zum Einsatz, wird die Aktualisierungstendenz des Lernenden auf besonders lernförderliche Weise „gewekt“ (Zimmermann, 2011; S. 90 ff) und unterstützt.

W ertschätzung

Mitmenschen möglichst frei von (Vor-)-Urteilen zu begegnen und sie dort abzuholen, wo sie stehen.

E mpathie

Proaktives Verständnis für bestimmte Erklärungsmuster, Handlungen oder Vermeidungsreaktionen anderer, mit einer Haltung besonderer Sachlichkeit und der entschiedenen Hinwendung zur Sache selbst, also dem Menschen und seinen individuellen Herausforderungen.

K ongruenz

Annahme der eigenen Vorbildrolle als Coach und Führungskraft mit bewussten, offenen und transparenten Erwartungshaltungen, Gefühlen, Werten und Erlebenswelten.

Jedes Mal, wenn sich der WEK-Ruf zwischen Menschen ereignet, wir ihn uns schenken, ist Ostern im eigentlichen Sinne: Wir fühlen uns gesehen, verstanden, geliebt und angenommen in all unserer Unzulänglichkeit und Ambivalenz.

Der WEK-Ruf
Der WEK-Ruf

Was bedeuten die 3 Aspekte des WEK-Rufes?

Wertschätzung: Unconditional positive regard

Für Rogers (1979, S. 277) ist diese „bedingungslose positive Zuwendung“ ein ganz zentraler Punkt und bedeutet, „eine Person zu schätzen, ungeachtet der verschiedenen Bewertungen, die man selbst ihren verschiedenen Verhaltensweisen gegenüber hat“ (Rogers 2009, S. 41). Dieses bedingungslose Akzeptieren bedeutet zuerst eine Haltung des Respekts und der Achtung für die andere Person:

„Wenn ich eine Person auf der Stufe, wo sie zu sein meint, akzeptiere, gebe ich ihr offenbar die Möglichkeit, sich selbst tiefer zu erforschen“ (Rogers 2004, S. 155).

Diese Haltung einzunehmen ist dem Coach möglich, wenn er von der positiven Entwicklungsmöglichkeit seines Klienten ausgeht. Wertschätzung bedeutet ferner eine Bereitschaft zur engagierten Anteilnahme, genaues Zuhören und ein sich sorgendes Interesse an der Situation des Klienten:

„Er [der Coach] begegnet ihm [dem Klienten] mit einer warmen, entgegenkommenden, nicht besitzergreifenden Wertschätzung ohne Einschränkungen und Urteile“ (Rogers 2004, S. 27).

Hauptziel dieser Wertschätzung ist, dass sie es dem Klienten ermöglicht, seine positiven Eigenschaften und damit sein Selbstvertrauen zu stärken, was einen konstruktiven Veränderungsprozess fördert. „Konstruktiv“ meint in diesem Zusammenhang, dass es den Klienten durch diese ihnen entgegengebrachte Haltung ermöglicht wird, „über das zu sprechen, was ihnen wirklich Probleme bereitet“ (Rogers 2004, S. 155) und letztlich sich selbst entwicklungsfördernd zu explorieren. Eine bedeutsame Einstellung für die Schaffung eines Klimas der Veränderung ist Akzeptanz, Sorge oder Wertschätzung – nicht an Bedingungen geknüpfte, positive Aufmerksamkeit. Wenn der Coach eine positive, akzeptierende Einstellung gegenüber dem erlebt, was immer der Klient zu diesem Zeitpunkt ist, dann ist Bewegung oder Veränderung wahrscheinlicher. Dies ist eine nicht-besitzergreifende Fürsorge. Der Coach schätzt den Klienten eher auf totale als auf bedingte Weise.

Empathie: Empathy

Empathie meint die Fähigkeit, „die Erlebnisse und Gefühle des Klienten und deren persönliche Bedeutung präzise und sensibel zu erfassen“ (Rogers 2004, S. 23). Rogers und Schmid definieren Empathie als den „Zustand der Einfühlung oder des Sich-Einfühlens“ (Rogers und Schmid 1991, S. 175):

„Empathisch zu sein bedeutet, den inneren Bezugsrahmen des anderen möglichst exakt wahrzunehmen, mit all seinen Komponenten und Bedeutungen, gerade so ‚als ob’ man die andere Person wäre, jedoch ohne jemals die ‚Als-ob-Position’ aufzugeben.“

In dieser Definition wird die Notwendigkeit betont, den eigenen Standpunkt klar vom Standpunkt des Anderen getrennt zu halten. Rogers grenzt das empathische Verstehen von anderen gängigen Verstehens-Konzepten ab, bei denen durchschauende, erklärende, analysierende und bewertende Absichten im Vordergrund stehen. Der Coach soll „sich feinfühlig im Leben des anderen bewegen, ohne Vorurteile zu fällen“; er hat „Bedeutungen zu spüren, aber nicht Gefühle aufzudecken“ (ebd.).

Der prozessuale Charakter und das qualitative Ausmaß an Empathie zeigen sich für Rogers darin, dass der Coach etwas berührt, was für den Klienten noch unter der Schwelle des Erkennens ist und ihm in der Folge zugänglich wird. Empathie ist nicht zu verwechseln mit einem “Verständnisvoll-Sein” im Sinne einer humanen Haltung.

Empathie ist eine Art Brücke, die aus der Wirklichkeit des Coaches in die Wirklichkeit des Klienten hineinführt und es ermöglicht, eine gemeinsame Wirklichkeit zu finden, wodurch es gelingt, auch scheinbar inadäquate Verhaltensweisen und Reaktionen eines Klienten als aus seiner Sicht durchaus adäquat und folgerichtig zu verstehen. Der Coach versucht, zu verstehen und anzuerkennen, was den Anderen aus seinem individuellen Erfahrungshorizont heraus zu bestimmten Erklärungsmustern, Handlungen oder Vermeidungsreaktionen bewegt, ohne diese zu bewerten.

Resonanz und Empathie zu Ostern
Resonanz und Empathie zu Ostern

Wenn es gut läuft, dann befindet sich der Coach insoweit in der privaten Welt des/der anderen, dass er nicht nur die Bedeutungen erkennt, die dem Klienten bewusst sind, sondern auch diejenigen, die gerade eben unterhalb der Schwelle des Bewusstseins liegen.

Diese Art des sensiblen, aktiven Zuhörens wird zunehmend seltener in unserem Leben. Wir glauben, dass wir zuhören, aber sehr selten hören wir wirklich mit echtem Verstehen, wahrer Sympathie zu. Zuhören auf diese besondere Art ist eine der wirkungsvollsten Kräfte für Veränderung.

Kongruenz: Congruency

Kongruenz ist nach Rogers (2004, S. 30) die grundlegendste unter den Haltungen des Coaches. Kongruenz „besagt, dass der Therapeut [der Coach] sich dessen, was er erlebt oder leibhaft empfindet, deutlich gewahr wird und dass ihm diese Empfindungen verfügbar sind, so dass er sie dem Klienten mitzuteilen vermag, wenn es angemessen ist“. Dieses besondere Maß an Transparenz, das auch die Mitteilung von persönlichen Gefühlen (nie Wertungen) des Coaches miteinschließt, „ist gewiss nicht einfach auszufüllen“ (Rogers 2004, S. 31).

Dadurch wird der Coach gewissermaßen zum „gläsernen Vorbild“ für den Klienten darin, bewusst und offen mit den inneren Erwartungshaltungen, Gefühlen und Erlebenswelten umzugehen.

Je mehr der Coach er selbst ist, ohne eine persönliche Fassade oder professionelle Rolle aufzubauen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Klient sich in konstruktiver Weise verändern und/oder wachsen wird. Somit ist Kongruenz auch als Vorbedingung für Wertschätzung und Empathie zu sehen. Die Herausforderung für den Coach besteht darin, mit seinem Gewahrsein beständig sowohl beim Klienten als auch bei sich selbst zu sein.

Literaturangaben

Rogers, C. R. (1957). The necessary and sufficient conditions of therapeutic personality change. Journal of Consulting Psychology, 21(2), S. 95–103. 

Rogers, C. R. (1974). Lernen in Freiheit: zur Bildungsreform in Schule und Universität. München: Kösel.

Rogers, C. R. (1979). Entwicklung der Persönlichkeit. Kempten: Kösel.

Rogers, C. R. (2004). Therapeut und Klient: Grundlagen der Gesprächpsychotherapie. (W. Pfeiffer, Hrsg.) Geist und Psyche (18. Aufl.). Frankfurt am Main: Fischer.

Rogers, C. R. (2009). Eine Theorie der Psychotherapie, der Persönlichkeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen. München: Ernst Reinhardt GmbH&Co KG.

Rogers, C. R., & Schmid, P. F. (1991). Person-zentriert: Grundlagen von Theorie und Praxis. Mainz: Grünewald.

Steil, L.K., Summerfield, J. & DeMare, G. (1986). Aktives Zuhören. Anleitung zur erfolgreichen Kommunikation. Heidelberg: Sauer.

Zimmermann, M. (2011). Naturwissenschaftliche Bildung im Kindergarten: Eine integrative Längsschnittstudie zur Kompetenzentwicklung von Erzieherinnen. Studien zum Physik- und Chemielernen (Bd. 128). Berlin: Logos. ISBN 978-3-8325-3053-2. http://www.logos-verlag.de/cgi-bin/buch/isbn/3053g

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