Wie „übe“ ich Coaching? – Über den sinnvollen Umgang mit Coaching-Methoden im fünften Supervisionstermin

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Wohl bekannt und doch immer wieder herausfordernd: Haltung und ‚Werkzeugkoffer‘ im Coaching © Prof. Dr. Monika Zimmermann, Zentrum für interdisziplinäres Coaching

Erneut fanden sich die Teilnehmenden der diesjährigen Coaching-Ausbildung zu einer virtuellen Supervisionseinheit zusammen. Gemeinsam mit der Ausbildungsleitung Prof. Dr. Monika Zimmermann und der Dozentin Lara Rubbel hatten sie nun zum fünften Mal die Gelegenheit, sich über ihre Erfahrungen im Bereich Coaching auszutauschen.

Den Einstieg bot die Diskussion von einer der letzten Hausaufgaben, das Üben einer Methode anhand der Netzwerkkarte (Pantucek) Dabei stellte sich heraus, dass eine gewisse Unsicherheit vorlag, was das prinzipielle Üben an sich angeht. Wie lassen sich die gelernten Methoden denn nun im Alltag oder auf der Arbeit anwenden? Und welche „Übungssubjekte“ dürfen/sollten eigentlich dafür „herhalten“?

Das ist in der Praxis wahrscheinlich leichter gesagt als getan. Aber Methoden MÜSSEN doch geübt werden, oder nicht?! Wie sonst sollen sie denn dann gelernt werden? Und wenn wir die Methoden zu wenig üben, macht das uns dann zu schlechteren Coaches? Bis zum Ende der Supervision hatten die Coaching-Novizen mit den Dozentinnen dazu hilfreiche Einsichten gewonnen.

Zunächst besprachen die Anwesenden, wie sie jeweils mit der Netzwerkkarte umgehen und wie etwa vorzugehen ist, wenn man mit der Methode an eine Grenze stößt: Eine solche kann beispielsweise mit der heutzutage stark Internet-basierten Organisationsform unserer Gesellschaft zu tun haben. Wie sind etwa Beziehungen über das Internet einzuordnen, handelt es sich da mehr um Quantität oder auch um Qualität?

Das kann man ja nicht bewerten, was es der Person vielleicht gibt, und das wäre ja in dem Moment auch noch nicht Sinn und Zweck beim Füllen der Quadranten. Ob das Tool für die Situation passt oder nicht, ich würde unabhängig davon weder etwas ausschließen noch grundsätzlich daran festhalten.

Lara Rubbel: Das ist ein gutes Beispiel, weil keine Methode ist zu 100% passend. Für manche neuen Sachen gibt es da womöglich auch noch keine Kategorie. Es wäre dann nicht gut, als Coach zu sagen, ‚hm das ist jetzt eigentlich nicht real‘. Man sollte erstmal festhalten, dass das die reale Lebenswirklichkeit dieser Person ist, und dann ansprechen, wie er oder sie das findet, ob es ein Problem sein könnte. Würde dazu raten, es nicht zu bewerten.

Monika Zimmerman: Ja, da bin ich bei dir! Diese von Euch explizierte Haltung ist die von Rogers: ‚unconditional regard‘. Wir sollen nicht werten, sondern das, was die Realität der Leute ist, ist Realität.

Einem Teilnehmer jedenfalls war die Netzwerkkarte schon sehr „ans Herz gewachsen“, da sie sich im Rahmen der positiven Psychologie so gut nutzen lässt. Dies spiegelt dabei auch gut die Intention der Methode nach ihrem ursprünglichen Verfasser P. Pantucek wider.

Ich finde die NWK mittlerweile richtig geil.

Eine andere Teilnehmende bevorzugt für sich die digitale Version der Methode, da man bei den vielen eingezeichneten Linien mal schnell den Überblick verlieren kann. So bietet eine digitalisierte Welt eben auch Vorteile, auch für das Coaching. Trotzdem sah sie Einschränkungen für die Anwendung der Methode:

Allein find ich es gut. Aber gemeinsam mit anderen? Ich stell es mir etwas seltsam vor, gerade wenn man sich schon kennt und sehr viele Linien auftauchen. Für mich ist die Methode nur in sehr bestimmten Settings einsetzbar.

Ich habe sehr ähnliche Erfahrungen damit gemacht. Ich hab mir schwer getan, zu entscheiden, wer in die Netzwerkkarte reindarf. Was sagt das dann z.B. über mich aus, wenn bei mir der Bereich professioneller Beziehungen recht ‚nackt‘ ist, weil mir die Personen einfach emotional nicht so wichtig sind. Wie soll ich das interpretieren?

Die Dozentin machte die Teilnehmenden dazu auf den latenten Druck aufmerksam, der sich bei den Teilnehmenden zur ‚richtigen‘ Anwendung und Interpretation der Netzwerkkarte abzeichnete. Eine Teilnehmerin hierzu:

Aber ich möchte ja auch ein Ziel mit der Methode. Einfach so drauf los hilft nichts, hab ich festgestellt. Denn sonst sitzt man da und weiß nicht, was man jetzt damit macht, mit der Erkenntnis.

Die Teilnehmenden reflektierten gemeinsam über den für sie sinnvollsten Umgang mit einer an sich – auch in der Sozialen Arbeit – beliebten Methode wie der Netzwerkkarte. Dabei kam vor allem die Herausforderung auf, dass sich im eigenen Umfeld eigentlich nur recht schwer üben lässt. Die Teilnehmenden stimmten überein, dass das Üben mit Freunden und Vertrauten prinzipiell den sichersten Raum bietet:

Ich probiere auch immer erst an mir selbst aus, dann auf sicherem Boden mit Freunden oder Partner, wo nicht so viel schiefgehen kann, damit ich auch während der Anwendung lerne, auf was ich selbst achten möchte. Manchmal merk ich, ‚ok ich weiß gerade nicht, wie ich damit weitermachen soll‘.

Ich übe jede Methode, aber auf sicherem Boden. Mein Albtraum wäre, etwas bei jemandem zu testen, ohne es im Griff zu haben. Ich möchte erst einschätzen, was die Methode alles hergibt. Aber stimmt schon, ich kann wahrscheinlich erst sehen, was sie alles hergibt, wenn ich‘s probiere.

Abgesehen davon, dass die Coaching-Ansätze im Privatleben der Teilnehmenden also schon ganz gut nebenbei immer wieder auftauchen, wie sieht es dagegen im beruflichen Kontext aus? Dort ist das mit der Integration scheinbar nochmal weitaus schwieriger:

In meinem beruflichen Kontext komme ich aktuell nicht dazu, die Methoden anzuwenden. Manchmal kommt jemand zu mir mit einem Anliegen, wo ich es probiert habe. Das funktioniert gut, aber passiert halt selten. Wenn ich meistens weitervermittle, finde ich das zwar schade, aber Coaching soll eben auch ein sicherer Rahmen für mich sein. Um so richtig Praxiserfahrung sammeln zu können, müsste ich wahrscheinlich den Job wechseln oder mich parallel selbstständig machen, um dann wirklich diese Rolle des Coaches übernehmen zu können.

Auf der Arbeit würde ich die Netzwerkkarte jetzt nicht rausholen, aber ich versuche es ein bisschen mit anderen Methoden. Da hab ich generell festgestellt, dass ich viel mehr Fragen stelle. Die Leute kommen genauso und sogar verbindlicher weiter, wenn sie selbst draufkommen. Ich frage nur eben mehr und das orientiere ich an den Methoden, die ich kennen gelernt hab. Aber das konkrete Coachen traue ich mich noch nicht so richtig.

Lara Rubbel: Dass Du einen sicheren Boden brauchst und Dich so organisierst, ist super. Es ist sehr wichtig, das mit Menschen auszuprobieren, mit denen man sich sicher fühlt und wo auch eine Fehlertoleranz da ist. Und wenn Ihr positive Veränderungen mit Euren Kollegen spürt, das hat mit Haltung zu tun! Natürlich ist es schwer, Leute selbst auf ihre Lösungen zu bringen. Früher wusste ich auch nicht, was immer alle mit Haltung meinen.

Dabei erinnerten sich die Anwesenden an die wertvolle Erkenntnis der letzten Intervisionseinheit: „Die richtige Frage ist mehr wert als jede Methode.“

Gefühl und Empathie mit der Theorie zu verknüpfen, fällt mir eher schwer. Aber ich sehe das wie Ihr. Bei mir ist es vielmehr das Reden und Fragen.

Danke, dass du das nochmal expliziert hast. Denn eigentlich müsste ich antworten: Ich habe keine Methode angewandt. Aber Fragen als Methode, dieser Begleitprozess, das passiert bei mir fast täglich! Da hat sich seit der Ausbildung einiges bei mir getan.

Passend zum Thema ‚Üben auf der Arbeit‘ sprachen die Teilnehmenden auch wieder über die wichtige Herausforderung des Spagats zwischen Führungskraft und Coach. Die Ausbildungsleitung versicherte, dass dieser Zielkonflikt immer auftreten könne und dass kein konkreter Konsens vorherrsche, ob Integration oder Trennung der beiden Aspekte angebracht ist.

Monika Zimmermann: Jede Führungskraft darf ihren eigenen Weg finden damit umzugehen.

Das liegt ja auch an der Unternehmenskultur, ob man Führungskraft und Coach in einem sein kann. Es ist oft auch nicht erwünscht, dass man einen auf Coach macht.

Coaching als Haltung oder Werkzeugkoffer?

Die Dozentin Lara Rubbel kam noch einmal auf den Druck zu sprechen, der mit Methoden fast automatisch immer ein bisschen einhergeht:

Lara Rubbel: Man denkt, man MUSS diese ganzen Methoden beherrschen.

Dabei bringe einem der Werkzeugkoffer gar nichts ohne Konzept, Orientierung und Haltung. Dessen sind sich die Teilnehmenden zwar bewusst, aber diese Herausforderung des Umgangs mit Tools zeigt sich doch ab und an.

Passend ist hierfür die ‚Warnung‘ von Matthias Ohler, nicht zum „Tooligan“ zu werden. Ein Tooligan ist praktisch ein Coach, der seinen 10-Zentner-Werkzeugkoffer schwingt und einem auf die Nase donnert.

Monika Zimmermann: Es geht ja nicht nur darum, die ganzen Methoden zu lernen und dann an konkreten Fällen anzuwenden. Die Methoden sollen am besten transformiert durch euren Körper und Geist wieder heraus gegeben werden, durch Euren leicht veränderten Umgang mit Fragen und den Mitmenschen, die Ihr begleitet. Das ist Coaching. Nicht das Anwenden von Methode X am Fall soundso. Coaching ist viel mehr: Haltung. Die baut sich nach vielen Monaten auf. Ihr merkt, es verändert sich was, z.B. an der eigenen Art zu fragen. DAS ist der Transfer von theoretischem Wissen. Wenn ihr bemerkt, dass sich bei Euch kleine Sachen am Habitus verändern, wäre ich happy. Darum geht es. Für mich sind die Menschen selbst die wichtigste Methode im Coaching schlechthin.

Die angehenden Coaches konnten also für sich aus dieser Supervisionssitzung noch einmal mitnehmen, was es mit dieser Haltung auf sich hat. Vor allem, indem sie feststellten, dass sie diese längst angefangen hatten zu verkörpern.

Ich nehme mit, dass Coaching Haltung ist. Auch wenn ich noch keine konkreten Coachings durchführe, möchte ich das in den Alltag integrieren.

Coaching ist eine Haltung, die sich aufbaut. Das ist ein innerer Transfer, der stattfinden muss, damit man zum Coach wird, damit man da reinwächst in diese Rolle. Ich nehme mit, dass man den Klienten arbeiten lassen kann mit der Methode. Und wenn das öfter gemacht wird, wird man sicherer. Das verändert die Haltung und auch den ‚Methodenkoffer‘. Dass Fragen wichtiger ist als Methoden, nimmt mir den Druck raus.

Diesem konnten die Auszubildende nur zustimmen und ergänzten,

Ich weiß jetzt, dass ich auch bisschen bewusster drauf achten kann, welche Haltung ich einnehme. Für das nächste Mal ist für mich eine Kernerkenntnis, dass da auch andere Dinge raumhaben dürfen.Würde mich da anschließen. Die Haltung wächst. Ich werde nochmal auf kleinere Momente gucken, dass diese Sachen auch wachsen dürfen.


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