Auftakt zur dritten Ausbildungsrunde im Zentrum für interdisziplinäres Coaching
20 Jahre Berufserfahrung als Coach, mehr als vier Jahre Erfahrung aus der Coaching-Ausbildung in der Hochschullehre an der iba und nun der dritte Lehrgang in der Coaching-Ausbildung am Zentrum für interdisziplinäres Coaching: Es gibt Dinge, die bleiben einzigartig!
So, wie die Teilnehmer*innen der (ausgebuchten) Coaching-Ausbildung, die am 6. Oktober ´23 startete. Vom weit entferntesten Ort zu uns nach Heidelberg betrug die Reise einer Teilnehmerin 515 km. Ähnlich weit gestreut wie die Wohnorte unserer Teilnehmer*innen ist auch deren beruflicher Hintergrund: Geschäftsführer*innen, Physiotherapeut*innen, Psycholog*innen, Betriebwissenschaftler*innen, Kulturwirt*innen bzw. Kulturwissenschaftler*innen, Mediziner*innen und Soziologinnen. Die Coaching-Ausbildung ist auf mehreren Ebenen interdisziplinär aufgestellt: wissenschaftliches Fundament, Fokus auf Haltung, Zusammensetzung der Gruppe.
Der erste Tag gilt traditionell dem Kennenlernen und Orientieren. Wer oder was ist das Zentrum, welche Gesichter sind damit verknüpft, was erwartet die Teilnehmer*innen auf der einjährigen Lernreise und vieles mehr. Dazu gehörte auch schon Grundlegendes zum Coaching-Verständnis und zur Haltung eines ehrbaren Coaches, wie wir ihn am Zentrum und in Übereinstimmung mit den Coaching-Verbänden DBVC und IOBC sehen. Selbstverständlich wurde das „Wappentier“ des Zentrums vorgestellt, welches alle Teilnehmer*innen als kleines Geschenk auf ihren Tischen vorfanden.
Wer ein Jahr lang auf Reisen geht, soll (und will) seine Mitreisenden kennenlernen. Die Vorstellungsrunde war dann zugleich die erste Übung für unsere Teilnehmer*innen: Jede/-r hatte einen Gegenstand zu wählen, der seinem aktuellen Selbstverständnis entspricht und einen weiteren Gegenstand, welcher ihre/seine Zielvision verkörpert. Die riesige Auswahl an Symbolen machte es teilweise nicht leicht, sich zu entscheiden.
„Wo komme ich her, wo will ich hin.“
So wurde es eine Vorstellungsrunde, in der weit mehr als nur Namen und Berufe preisgegeben wurden. Es waren ganz wunderbare Geschichten, die da erzählt wurden und bei unserer Ausbildungsleitung mehrfach Gänsehaut erzeugten. Mit Sehnsüchten und Erwartungen, mit freud- und leidvollen Erfahrungen, allesamt nach vorne blickend und überaus „menschlich“. Drei dieser Geschichten dürfen wir hier wiedergeben (alle anderen dienen den Teilnehmer*innen als reflexiver Input und Anker im individuellen und kollektiven Entwicklungsprozess:
„Der Bagger ist dafür geschaffen, große Dinge zu bauen und zu erschaffen. Er hat Kraft, kann sich in alle Richtungen drehen und sich auch im größten Matsch gut bewegen und Haltung bewahren. Der Bagger hat immer ein Lächeln im Gesicht und seine Augen strahlen bei der Arbeit. Er liebt es das zu tun, wofür er geschaffen wurde, und möchte daher seiner Bestimmung sein Leben lang nachkommen.
Obwohl der Bagger von außen und auf den ersten Blick betrachtet sehr groß, grob, kantig und klobig aussieht, erkennt der Betrachter bei etwas genauerem Hinschauen, aus welch vielen feinen mechanischen Einzelteilen das Innere des Gehäuses besteht. Er entdeckt dann auch, wie tiefschichtig diese ganzen Kleinteile ineinandergreifen, damit der Bagger so komplexe Dinge ausführen und großartig funktionieren kann.
Der glitzernde Goldstaub soll jeden berühren, der mich umgibt und jeden um mich herum zum Glitzern und Strahlen bringen. Ich möchte, die Menschen um mich herum begeistern, dass sie mutig, selbstbewusst und mit viel Freude durchs Leben gehen. In privaten und in beruflichen Kontext glücklich, zufrieden und erfolgreich sein können und auch etwas von ihrem glitzerndem Goldstaub weitergeben.“
„Selbstverständnis: fliegender Engel im glitzernden Kleid
Ich habe den Engel ausgewählt, weil er für mich mit dem glitzernden Kleid und den Flügeln einen Freigeist symbolisiert, so wie ich es bin. Das glitzernde Kleid steht für alle meine Eigenschaften, Werte, Interessen und Bedürfnisse, die sich an vielen Stellen von denen der Menschen meinem (beruflichen) Umfeld unterscheiden, meine Leidenschaft für New Work und den Wunsch, Dinge anders machen zu wollen, als es im Konzernumfeld gewollt und gelebt wird. Die Flügel symbolisieren meine Befreiung aus diesen Strukturen, aber genauso auch mein Interesse daran, andere Perspektiven zu verstehen und dadurch ständig Neues zu lernen und zu sehen. Gleichzeitig gewinne ich so auch ständig neue Erkenntnisse und entdecke viele neue spannende Themen, denen ich nachgehen will, dass es mir manchmal schwer fällt zu sehen, welche Richtung die richtige für mich ist.
Vision: sitzender Engel im glitzernden Kleid
Dass es sich bei der zweiten Figur um die gleiche Figur in einer anderen Pose aber im selben Kleid handelt, bedeutet für mich, dass ich lernen möchte, viele meiner Eigenschaften, Werte, usw., die bisher dazu geführt haben, dass ich mich mit meinem beruflichen Umfeld oft nicht richtig identifizieren konnte, als etwas Schönes anzunehmen.
Ich möchte sie nutzen, um selbst zu einer einzigartigen Methode zu werden, mit der ich anderen bestmöglich helfen kann. Die sitzende Position symbolisiert, dass ich nicht mehr wild umherfliege, sondern innerlich ruhig bin und sicher in dem zu mir passenden Themengebiet und Umfeld „gelandet“ bin. Diese innere Ruhe und Sicherheit möchte ich als Coach an andere weitergeben können. Gleichzeitig möchte ich meine Flügel, wann immer ich es für richtig halte, nutzen, um mich selbst immer weiter zu entwickeln. Andere möchte ich durch meine Flügel dabei unterstützen, ihre Probleme aus einer anderen Perspektive sehen zu können und selbst neue Lösungs- und Handlungswege zu entdecken.“
„JETZT:
Kartensets „Wie wollen wir leben?“ und „Wie geht’s?“, (Bundeszentrale für politische Bildung), Holzwürfel mit Seitenaufschriften: „Wir“, „Du“, „Ich“
ENDE DER AUSBILDUNG:
Lupe
WARUM?
Die Gegenstände für den „Jetzt-Zustand“ habe ich gewählt, weil ich mit vielen Fragen in der Welt stehe. Vor allem Zukunftsfragen und die Frage danach, wie es uns und der Welt geht, beschäftigen mich sowohl persönlich als auch in meinem beruflichen Tun im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Sie begleiten mich schon sehr lange. Auch, um diesen Fragen nachzugehen, habe ich u.a. Theater und Soziologie studiert: Soziologie, um „Welt“ zu verstehen, Theater, um kreativ Verhältnisse von Welt und Selbst zu erforschen. Als „Resonanz-Junkie“ kann ich das nicht alleine, sondern brauche immer auch Austausch- und Reflexionsprozesse mit anderen. Dafür steht der Würfel mit den Worten „Wir“, „Du“ und „Ich“.
Die Lupe steht dafür, dass ich mir von der Coaching-Ausbildung u.a. erhoffe, die Fragen, die sich mir schon lange und aktuell stellen, weiter zu fokussieren. Und: Die Lupe bündelt Licht, mit dem Feuer entfacht werden können: diese Feuer möchte ich in mir und anderen mit noch mehr Fokussierung, Klarheit und Leidenschaft entzünden!“
Zum Abschluss des Tages stellte sich aus dem Expertenteam des Zentrums Christian Wewezow vor als Ansprechpartner zu Themen wie Organisationsentwicklung, Changemanagement, Transformation, Businessplan usw. Letzteres wird er im Laufe der Coaching-Ausbildung darstellen zusammen mit Ideen zum Marketing und anderen hilfreichen Tipps zur Umsetzung der neu erworbenen Expertise aus der Coaching-Ausbildung.
Am zweiten Ausbildungstag sind zunächst organisatorische Fragen der Ausbildung geklärt worden. Größtmögliche Transparenz sowie einfache Strukturen und Abläufe sollen den Blick stets auf das Wesentliche lenken. Dazu gehören beispielsweise eine vollständige und für die Teilnehmer*innen jederzeit verfügbare Dokumentation der Ausbildungsinhalte, die Anleitung der Selbstlernphasen und die kostenfreie Nutzung der umfangreichen Bibliothek des Zentrums (mit derzeit 170 Titeln).
Nächste Station: Interdisziplinarität und schulenübergreifendes Didaktik-Konzept. Was wir darunter verstehen und wie wir das in der Coaching-Ausbildung umsetzen, hat die Teilnehmer*innen brennend interessiert. Schließlich haben die meisten Teilnehmer*innen – nach eigenem Bekunden – genau aus diesem Grunde den Weg zum Zentrum gefunden. Also wurden nach Art eines Elevator-Pitches die Schulen, Ansätze und Methoden benannt, mit denen wir das kommende Ausbildungsjahr in Theorie und Praxis verbringen werden.
Frage eines Teilnehmers:
Was ist der Unterschied zwischen Disziplin und Schule?
Kurze Antwort:
Eine Disziplin ist die allumfassende Klammer um einen Forschungsgegenstand und ein eigenständiges, akademisches Fachgebiet. Schule ist das, was sich innerhalb einer Disziplin herausgebildet hat.
Natürlich ergab sich hieraus die Diskussion um die diversen Schulen: Beispielsweise inwiefern wende ich Methoden aus der einen oder die anderen an und lege ich das dem Klienten gegenüber offen? Wie erkenne ich die für den Klienten „richtige“ „Denk-Schule“ und daraus abgeleitete Methode? Viele Fragen, die im Laufe der Coaching-Ausbildung nach Antworten suchen werden. Und bereits jetzt die ganz entscheidende Botschaft:
„Du!“ bist die einzig nachhaltige Methode für Dich selbst und für den Klienten.
Wieviel Wahrheit in dieser Aussage steckt, wurde den Teilnehmer*innen in der nachmittäglichen Übung „emphaty labs“ bewusst. Nachdem Carl Ransom Rogers person-zentrierter Ansatz, dessen Grundannahmen und insbesondere die Methode des aktiven Zuhörens vermittelt wurden, schlossen sich die Teilnehmer*innen zu Triaden zusammen und versuchten sich in der praktischen Umsetzung.
Hier galt es u.a. sich hilfreich kurz und klar auszudrücken:
Die anschließende Diskussion zeigte auf, wie groß die Kluft teilweise ist in unserer tagtäglichen Kommunikation und dem Ansatz nach Rogers. Daher ist die weitere Erprobung des aktiven Zuhörens in der Praxis eine der zu dokumentierenden Hausaufgaben für die Teilnehmer*innen bis zur nächsten Supervisionseinheit am 03. November ´23.
Am Sonntag, unserem dritten Ausbildungstag, setzten wir zunächst die Lehre Rogers fort mit den wichtigen Erkenntnissen. Wie beispielsweise derjenigen, dass dem person-zentrierten Ansatz das Vertrauen in den Klienten und das Zutrauen in seine eigene Lösungsfindung immanent ist. Oder auch die grundlegende Annahme „Sei jemand für den anderen“.
Mit den 5 Säulen der Identität nach Petzold folgte ein Konzept mit Ressourcenorientierung bzw. Ressourcenanalyse in den Bereichen:
- Leiblichkeit (Körper und Geist)
- Sozialer Bereich (Soziales Netz)
- Materieller Bereich (Sicherrheit)
- Bereich Arbeit u. Leistung (Beruf)
- Bereich Werte
Im Coaching-Magazin 2023/3 lesen Sie unseren Beitrag „Start in den Coaching-Prozess mit den Fünf Säulen der Identität“ (Verfasserinnen: Prof. Dr. Monika Zimmermann, Tina Wilhelm und Lucille Schäfer) mit einer detaillierten Methodenbeschreibung sowie einem konkreten Fallbeispiel.
In engem Zusammenhang damit steht die Unterscheidung Identifikation (wie sehe ich mich selbst) und Identifizierung (wie sehen mich andere), die zur eigenen Identität führen. Die Teilnehmer*innen erfuhren hierzu den Einsatz in der integrativen Therapie als eine diagnostische Methode. Sie hilft festzustellen, in welchem Aspekt des Identitätsprozesses Probleme entstehen und wo Therapie bzw. Coaching ansetzen kann. Also auch zur Erfassung und Beurteilung von Krisen.
Nach dem (viel zu leckeren 😉) Mittagessen folgte der philosophische Spaziergang auf den Heidelberger Philosophenweg. Und tatsächlich war es weniger ein Spaziergang als vielmehr eine schweigende Introspektion der Teilnehmer*innen, die der Frage nachgehen sollten „Wo komme ich her, wo gehe ich hin?“ Die Erkenntnisse wurden, angekommen am sogenannten Philosophengärtchen, notiert und auf dem Rückweg in Zweier- und Dreiergruppen ausgetauscht. Hierin einbezogen wurde die weitergehende Frage, was die Teilnehmer*innen „mitbringen“, auf ihrem anvisierten Weg (beispielsweise Ressourcen, Fähigkeiten, Ideen, Konzepte, Ansätze, Visionen, besondere Werte, Eigenschaften/Merkmale, Leitbilder, Menschenbild usw.).
Welch erstaunliche Effekte die scheinbar so einfache Übung hatte, äußerten die Teilnehmer*innen im Nachhinein (stichwortartige Auszüge nah am Original-Ton):
- Es kamen viele unterschiedliche Erlebnisse, die nicht in zeitlicher Abfolge, aber intensiv kamen. Habe viel erlebt, mir fehlt heute nichts. Das war vorher anders, bin wie im Hamsterrad gerannt für Familie und andere. Habe heute alle Ressourcen, die ich benötige. Mir geht´s gut!
- Fresse halten war toll!
- Ich lasse mich grundsätzlich von allem ablenken, das Schweigen war eine neue Erfahrung.
- Habe durch das Schweigen die Aufmerksamkeit auf anderes geleitet und habe gemerkt, dass erste Effektive durch die Coaching-Ausbildung eingetreten sind, beispielsweise hinsichtlich überstabiler Muster. Ich fand´s schön, das zu verarbeiten.
- Habe mal nicht über den Job nachgedacht, sondern über mein persönliches Umfeld, meine eigene Entwicklung. Das hat mich erstaunt und kam unerwartet.
Wie in jedem Ausbildungsmodul gibt´s am Ende eine Mentimeter-Umfrage verbunden mit der Frage „Was sind Deine Kern-Erkenntnisse aus diesem Modul? Was nimmst Du mit?“ Die daraus entstandene „Wortwolke“ lassen wir freudvoll unkommentiert wirken…
Unser Fazit des ersten Ausbildungswochenendes schließt an die Gedanken einer Teilnehmerin an nach dem Philosophischen Spaziergang:
„Das Urvertrauen und die Erkenntnis, den richtigen Menschen zum richtigen Moment zu begegnen, erzeugt in mir tiefe Dankbarkeit!“
Kann es ein schöneres Schlusswort geben?
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